Heimatmuseen zeigen Fundstücke aus der jeweiligen Region und vermitteln so einen Eindruck…
Am Samstag waren wir wieder einmal unterwegs auf den Spuren der Vergangenheit. Nordöstlich von Meppen in der Gegend des Hümmling finden sich mehrere eindrucksvolle Megatlithgräber wie das auf Bruneforths Esch. Bei näherem Hinsehen fielen mir an einem der Steine zwei kreisrunde Löcher auf – keine schalenartigen Vertiefungen kultischen Ursprungs wie an anderen jungsteinzeitlichen Steinsetzungen, sondern kreisrunde Bohrlöcher. Bohrlöcher für Sprengladungen.
Emsland-Taliban?
Anders als bei den 2001 gesprengten Buddhastatuen von Bamiyan sind hier keine glaubenseifernden Taliban am Werke gewesen, sondern bodenständige, handfeste Emsländer des 18. oder 19. Jahrhunderts. Deren Ziel war auch gar nicht die Zerstörung, die man lediglich als Mittel zum Zweck billigend in Kauf nahm, sondern die Umsetzung eines im Ansatz durchaus konstruktiven Gedankens. Man trachtete nämlich danach, die in den Großsteingräbern verbauten Findlinge mithilfe von Dynamit in handlichere Stücke zu zerlegen, um diese wiederum für den Bau von Häusern, Scheunen, Mauern, Mühlenfundamenten, Kirchen oder Straßen zu verwenden.
An vielen Stellen des Emslandes und anderswo ist das auch gelungen – manche Großsteingräber sind, nachdem man sie einige Jahrzehnte als Rohstofflager ausgebeutet hatte, fast vollständig verschwunden, andere stark beschädigt.
Alles eine Frage der Einstellung
Hemmungen kannte man schon von Haus aus keine, galten die Dolmen, Ganggräber und Riesenbetten doch auf dem platten Land immer schon als Belege unchristlichen, gar teuflischen Wirkens und waren verdächtig – Namen wie Düwelssteene oder Heidensteine belegen das. Verbindet diese im Aberglauben wurzelnde Ablehnung sich mit gesundem Pragmatismus, fällt die Zerstörung solcher Anlagen leicht. Vor hundertfünfzig, zweihundert Jahren hatte man im Zeitalter einer rasant heraufziehenden Fortschrittsgläubigkeit jedenfalls keinerlei Bedenken, zumal im Zuge der Verbreitung handlicher Dynamitstangen vieles einfacher zu werden versprach.
Das änderte sich erst im späten 19. Jahrhundert an der Schwelle zum 20., als man begriff, dass man schützenswerte Kulturobjekte vor sich hatte und sich voller Eifer der noch jungen Vor- und Frühgeschichtsforschung und damit den Wurzeln des eigenen Volkes zuwandte. Bis dahin hatte man sich in Sachen Altertumskunde bevorzugt an die Griechen, Römer und Ägypter gehalten, deren marmorne Tempelfragmente, Säulen und Pyramiden in heiter-mediterraner Umgebung einem ungleich würdevoller erschienen, als die bemoosten, flechtenüberzogenen, spröde altersgrauen und immer irgendwie düster und unheimlich wirkenden Großsteingräber unserer Breiten. Fortan wurden die jungsteinzeitlichen Grabanlagen in Ehren gehalten – bis in unsere Tage: Manches Vatertagsgelage endet an solchen Orten (sofern ein Grillplatz angeschlossen ist), esoterisch oder neofolkbewegte Jugendliche verwechseln protogermanische mit keltischen Heiligtümern und feiern hier Samhain, Imbolc, Beltane oder Lughnasagh oder bringen in der Neujahrsnacht einige Böller zur Detonation, um etwaig anwesende böse Geister zu vertreiben (von welcher Sitte Böllerreste unter manchen Steinen künden).
Ausnahmen in Fragen der Verehrung bestätigen freilich die Regel – mitunter bedarf es nur eines künstlerischen Banausentums, um das Zerstörungswerk unter anderem Vorzeichen fortzusetzen.
Fotos: Lutz Meyer
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