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Platt wie ein Pfannekuchen liegt Fehmarn in der Ostsee – die Gletscher der letzten Eiszeit haben hier, anders als etwas weiter südlich auf dem ostholsteinischen Festland, keine Lehm- und Schutthügel zusammengeschoben, sondern sind wie eine Panierraupe darübergefahren. Allerdings nicht, ohne einen Riesenhaufen Geröll abzulegen. Der Boden ist außerordentlich fruchtbar. Das mag dazu beigetragen haben, dass es auf der ganzen Insel so gut wie keinen Wald mehr gibt.

Abwechslungsreiche Küsten

Dafür gibt es zahllose Windräder. Und es ist nicht immer ganz einfach, diesen Monstrositäten einer verfehlten Energiewende auszuweichen. Der unbestreitbare Reiz dieser Insel findet sich denn auch weniger im Landesinneren als vielmehr an ihren sehr abwechslungsreichen und fast durchgängig steinreichen Rändern, den Stränden. Unter diesen sind insbesondere der südöstliche Strand bei Katharinenhof, dessen Findlingswüsten und wildromantische Steilküste zu Beginn des 20. Jahrhunderts Künstler wie Ernst Ludwig Kirchner angezogen hatte, sowie die Westküste mit ihrer reichen Strandvegetation hervorzuheben. Hier findet man zum Beispiel den Meerkohl in rauhen Mengen.

Zwischen den dicken eiszeitlichen Felsbrocken sieht man vor allem im Mai zahllose Angler in der Brandung stehen. Ihr Interesse gilt jetzt meist dem Hornhecht, der es trotz seines Wohlgeschmacks kaum irgendwo auf die Speisenkarten der maritimen Gastronomie geschafft hat. Vielleicht wegen seiner grünlichen Gräten?

Hotspot des Hexenwahns

Steinreich im übertragenen Sinne waren zu allen Zeiten auch – wegen des guten Ackerbodens – Fehmarns Bauern. Das war schon immer so: Dass hier der Boden bereits während der Jungsteinzeit bestellt wurde, wird durch zahlreiche Funde aus der Zeit belegt. Doch Reichtum schafft nicht nur Freunde. Gern verschwiegen wird heute, dass die Insel vor allem in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein wahrer Hotspot der Hexenverbrennung war. Die Hexenverfolgung traf keineswegs nur den Bodensatz der Gesellschaft, sondern erfasste auch die Familien der reichen Großbauern: Nachbarschaftliche Missgunst führte oft zu Denunziationen. Und diese dann geradenwegs in die Folterkammern der Hexenkommissare und von dort in aller Regel direkt auf den Scheiterhaufen.

Doch dieser Aspekt der Inselgeschichte wird heute leider nicht gern thematisiert, auch im ansonsten sehr facettenreich ausgestatteten Heimatmuseum der Insel nicht. Selbst Einheimische wissen davon meist nichts – oder wollen davon nichts wissen. Dabei wäre es doch überaus lohnenswert, darüber nachzudenken, dass die Hexenverfolgung weniger ein mittelalterliches als vielmehr ein neuzeitliches Phänomen war und auch heute noch – freilich in etwas moderaterer Form – überall dort anzutreffen ist, wo eine herrschende Kaste ihre Machtinteressen bedroht sieht. Die Folterwerkzeuge haben sich geändert und anstelle des Flammentodes ist der soziale Tod getreten. Doch das ist auch schon alles.

Love and Peace

Ein weiterer spannender Aspekt der Inselgeschichte, der heute meist auch nur am Rande Beachtung findet, ist das Love-and-Peace-Festival, das 1970 bei Flügge im Südwesten der Insel stattgefunden hat und vor allem durch zwei Dinge in Erinnerung zu bleiben verdient: Zum einen war es der letzte größere Auftritt von Jimi Hendrix, der nur wenige Tage später starb. Zum anderen versank das Festival, das doch der Liebe und dem Frieden gewidmet sein sollte, in Chaos und Gewalt. Lag es am schlechten Wetter? An der mangelhaften Organsiation? An den Gewaltexzessen Hamburger Rocker, die sich als Ordner betätigten? Oder am Drogenkonsum? Wie auch immer: Nicht überall, wo Love and Peace draufsteht, ist auch Love and Peace drin.

Drogen spielen übrigens auch heute noch eine wichtige Rolle auf der Insel: Im Fährhafen Puttgarden offeriert der Bordershop auf 6.000 Quadratmetern Verkaufsfläche als einer der weltweit größten Alkoholläden seiner trinkfreudigen Kundschaft ein reichhaltiges Sortiment. Man muss es einfach mal gesehen haben, wie vor allem Kundschaft aus dem nahen Skandinavien den begehrten Stoff gleich palettenweise aus dem Laden rausfährt und in Bullis und Anhänger bugsiert.

Foto: Lutz Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.

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