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Der Hirsch galt über Jahrtausende als Krafttier. Insbesondere das Geweih war immer ein Symbol für die Strahlen der Sonne gewesen. Es wurde wohl auch als Antenne verstanden für den Empfang von Signalen aus jener Sphäre, in der die Ahnengeister anzutreffen waren.

Mit dem Verschwinden der schamanischen Religionen wurde es prosaischer: Der erfolgreiche Jägersmann schätzt das Geweih als Trophäe. Dennoch bewegt sich auch der heutige Jäger, sofern er sich einen Sinn für mythische Bezüge bewahrt hat, noch im Umkreis altsteinzeitlicher Jagdkulturen.

Vom heiligen Tier zum Wohnkitsch

In dem Maße, in dem der Jäger selbst ins Visier aufgeklärter Zeitgenossen geriet und als anachronistischer Tiermörder in Verruf kam, wurde das Geweih als Trophäe obsolet. Der Hirsch und sein Geweih wurden von der Jagdtrophäe zur Werbeikone und fanden sich schließlich als mehr oder minder kitschige Accessoires bevorzugt in städtischen Wohnungen wieder, aus Kunststoff gefertigt und in trendiger Farbgebung. Der Hirsch und sein Geweih wurden zum ironischen Zitat.

Eine entseelte Welt

Was auf dieser langen Reise verloren ging, war nicht nur der Bezug zum lebendigen Tier. Es war vor allem die Fähigkeit, das Symbolische zu sehen. Früher sah man es in jeder Pflanze, in jedem Tier – die Welt war im Ganzen beseelt. Heute ist die Welt ein Warenhaus, in dem fast alles sofort verfügbar ist und vieles verramscht wird. Das Symbolische hat seine Kraft verloren, die Welt ist entseelt. Man sieht es weniger an den Tieren und Pflanzen als vielmehr in den leeren Gesichtern der Menschen.

Foto: Lutz Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.

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