Heimatmuseen zeigen Fundstücke aus der jeweiligen Region und vermitteln so einen Eindruck…
Eingerahmt von Birken und Brennnesseln steht die Villa Husch. Sie liegt ein gutes Stück vom Weg ab, Fenster und Türrahmen schauen auf eine Pferdeweide. Direkt davor schloss sich früher anscheinend eine kleine Terrasse an. Scheiben, Tür und Dach fehlen. Nach vielen Jahren sind nur die nackten Mauerreste übrig geblieben, teils verziert mit Graffiti. Im Haus haben sich irgendwann junge Bäume angesiedelt, doch offenbar war der Platz zu begrenzt: Sie sind längst abgestorben und vom Wind und Regen kahl geschliffen.
Ist das ein Lost Place?
Als ich vor der Ruine stehe, frage ich mich unwillkürlich, ob das ein Lost Place ist. Doch ist die Ruine dafür nicht zu klein? Muss ein Lost Place nicht ein Mindestmaß an Größe haben, um einer zu sein? Dieses verlorene Häuschen besteht nur einem erstaunlich kleinen Raum, es besitzt genau dieses eine Fenster und den einen Türrahmen. Erzählungen von gebürtigen Gifhornern nach, war die Ruine früher eins von mehreren Wochenendhäuschen, die sich mitten im Wald nahe des Heidesees befanden. Dieses hier hatte sogar einen Namen: Villa Husch.
Urlaub downsized
Heute ist kaum noch was geblieben, außer dem Namen – und jeder Menge Rätseln. Wer hat sich mitten im Wald ein Ferienhäuschen gebaut? Und warum bestand es nur aus einem Raum? Hatte es also weder Küche, noch Badezimmer? Strom und fließend Wasser aus der Leitung waren mit Sicherheit nicht vorhanden. Vermutlich wurde es in den 1960er-Jahren genutzt: Da konnten die Leute tatsächlich ohne Smartphone und elektrisches Licht eine (auch mehrere) Nächte verbringen. Wie mag es gewesen sein, in seinem Bett zu liegen, während ringsum die Rehböcke bellten, die Heupferde zirpten und die Käuzchen riefen?
Diese Art Urlaub ist so weit entfernt von unserem aktuellen Verständnis von Erholung, dass es beinahe schon wieder trendy sein könnte. Allerdings nicht in der Villa Husch. Die letzten Mauern halten sich erstaunlich lange, dennoch wird das kleine Wochenendhäuschen in nicht allzu ferner Zukunft völlig vom Zahn der Zeit zerfressen sein.
Fotos: Nicole Hein
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