Auf Würde antwortet man mit Respekt. Während mein Respektometer beispielsweise beim derzeit…
1.
Von Salzlecksteinen und Meerschweinchen
Ein Salzleckstein musste sein. Ohne den ging gar nichts. Sogar das Leben des kleinen, possierlichen Haustieres wäre gefährdet, wenn es keinen dieser bröseligen Steine, die mit einer Plastikklammer am Käfig befestigt werden, zur Verfügung gehabt hätte. Jedenfalls war das damals so. Damals, als ich mit sechs Jahren ein Meerschweinchen bekam. Eins. Aus der Zoohandlung. Das in einem Drahtkäfig lebte und täglich Trockenfutter aß.
Heute frage ich mich, wie es bei dieser Behandlung steinalt werden konnte. Als geselliges Familientier lebte es alleine in einem viel zu kleinen Gehege, fraß Getreide und gelegentlich sogar ein Kanten hartes Brot. Noch im Nachhinein habe ich dem armen Tier gegenüber ein schlechtes Gewissen. Aber früher war das eben so. In meiner Familie, in der es noch normal war, dass man Hühner und Schweine hielt, die anschließend auf dem Teller landeten, weckte das Meerschweinchen Misstrauen. Meine Oma grübelte, wozu ein Nager im Haus gut wäre und versorgte das „rattenähnliche“ Tier nur sehr widerwillig, wenn wir im Urlaub waren.
Luxusvilla für die Schweinchen
Viele Jahre später sind bei mir, besser gesagt bei meinen kleinen Sohn, wieder Meerschweinchen eingezogen. Zwei. Aus einer Familie, die privat züchtet und die Tiere das ganze Jahr über im Garten hält. Außerdem leben die beiden nicht im einem kleinen, hässlichen Drahtkäfig, sondern in einem großen, selbst gezimmerten Holz-Gehege. Sie besitzen eine Luxusvilla (vom Opa des jungen Meerschweinchenbesitzers gebaut), eine Hängematte, einen Weidentunnel und eine Weidenbrücke. Was sie nicht bekommen, sind Trockenfutter, das ist nämlich wegen des Getreideanteils schädlich, und ein Salzleckstein. Der schadet ebenfalls mehr, als dass er nützt.
Worüber freut sich ein Meerschweinchen zu Weihnachten?
Als ich mich nach so vielen Jahren wieder mit der Meerschweinchenhaltung befasst habe, war ich beeindruckt, wie viel man heutzutage über die Tiere weiß. Und wie stark das Einfluss auf Gehegengröße, Futter, Beschäftigung der Tiere etc. genommen hat. Ich finde das insgesamt sehr positiv. Allerdings ist mir auch aufgefallen, wie sehr einige Meerschweinchenbesitzer in diversen Foren bemüht sind, alles perfekt zu machen. Da wird beispielsweise diskutiert, ob man auf der Wiese gepflückten Löwenzahn abwaschen müsse und was ein schönes Weihnachtsgeschenk für die kleinen Schnuffelnasen wäre. Das alles mag jeder handhaben wie er möchte. Unsere Meerschweinchen knabbern jedenfalls an keinen Salzlecksteinen mehr, sondern lieber an dem Weidentunnel oder einem Apfelbaumast. Und die lebensnotwendigen Mineralien erhalten sie über diverse Wild- und Gartenkräuter, die meine Kinder auf den umliegenden Wiesen sammeln. Trotzdem nagt an mir ein ungutes Gefühl, wie tierfreundlich unsere Gesellschaft tatsächlich ist, wenn Meerschweinchen, Hund, Katze, Pferd usw. „vermenschlicht“ werden, anstatt sie als das zu sehen, was sie sind: Tiere.
Fotos: Nicole Hein
Dieser Beitrag hat 0 Kommentare