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Konzentriert stehst du da, den Bogen in der Hand, gespannt, die Augen auf das ferne Ziel gerichtet. Sonnenstrahlen fallen durch das noch lichte Blätterdach, spielen auf deinem Gesicht. Doch deine Anspannung ist spürbar, greifbar fast – die Knöchel der den Bogen umspannenden linken Hand treten weiß hervor. Die Hand, die die Sehne spannt, verharrt in auf Höhe deines rechten Auges. Dein Körper ist in Spannung – die Kraft deines gespannten Bogen aufnehmend. Dein Atem geht ruhig, jetzt hältst du ihn an. Die Vögel verstummen, als würde die Welt selbst für einen Moment den Atem anhalten in Erwartung des von der Sehne sich lösenden Pfeils. Da – deine rechte Hand hat die Sehne losgelassen, vom schwirrenden Pfeil bleibt für einen winzigen Moment nur der Eindruck eines gelben Lichtreflexes als vergängliche Spur in der Luft stehen – die Federn. Im gleichen Moment hört man einen weiten Steinwurf voraus den Pfeil ins Ziel einschlagen. Dein Pfeil wollte nicht verletzen, wollte nicht töten – und tat es auch nicht. Du übst dich im Bogenschießen, weil es dir Freude bereitet. Dein Ziel ist eine Zielscheibe aus Stroh.

 

Wie anders früher, als jeder verfehlte Schuss einen leer bleibenden Magen bedeutete. Die Spitzen – mit Birkenpech am Schaft befestigt – bestanden meist aus scharfzackigem Flint, waren teils gezahnt, hatten teils fein gearbeitete Widerhäkchen oder einfach nur extrem scharfe Seiten. Manche – die sogenannten Querschneider – hatten Trapezform. Sie ließen sich einfach, rasch und in großer Stückzahl herstellen – ein großer Vorteil angesichts der wahrscheinlich hohen Verlustrate gerade bei der Jagd. Querschneider rissen große Wunden – man konnte dem getroffenen Beutetier anhand der Blutspur leicht folgen.

 

Hat dein Üben vielleicht einen tieferen Sinn und ist mehr als nur ein harmloses Spiel? Es verbindet dich mit dem, was einmal war und wovon du nur der vorläufige Endpunkt einer langen Geschichte bist. Vielleicht bereitet es dich auch spielerisch darauf vor, dass die Zeiten einmal wieder schlechter werden, die Discounter schließen und Gefriertruhen sinnlos werden. Wohl dem, der dann sein Ziel zu finden weiß.

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.

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