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Packstation Post

Gestern habe ich eine gute Tat getan. Es begann damit, dass meine Nachbarin, eine ältere Dame, bei mir klingelte. Als ich die Tür öffnete, sprudelte sie hervor, dass ihr Mann doch nächste Woche Geburtstag hätte. 80 Jahre würde er werden. Und er würde so gerne Fahrrad fahren. Auch weitere Touren, seitdem er sein E-Bike hätte. Damit er nicht immer in den Karten blättern müsse, habe er sich ein Fahrrad-Navigationsgerät gewünscht. Der Sohn hätte eins herausgesucht, bestellt und gesagt, das Päckchen käme am Montag. Aber nun wäre es schon am Samstag mit der Post gekommen, allerdings hätte sie gerade Wäsche aufgehängt. Früher hätten die Postboten noch in den Garten geschaut, doch heute wären sie immer so in Eile. Jedenfalls läge es in der Packstation und sie käme nicht ran, ob ich es nicht holen könne, ich hätte doch ein Smartphone.

Der pure App-Wahnsinn

Während ich versuchte, die vielen Informationen zu ordnen, bat ich meine Nachbarin erstmal in die Küche. Sie nestelte den gelben Abholschein aus ihrer Jackentasche und legte ihn auf den Tisch. Ich nahm ihn zur Hand und las, dass die persönliche Zustellung leider nicht möglich gewesen wäre und dass „1 DHL Paket“ ab 19 Uhr abholbereit wäre.

„Da steht doch die Sendungsnummer. Diese musst du in der Packstation eintippen und dann erhälst du das Paket“, erklärte ich etwas ratlos. Ich bin ein überzeugter Nicht-Nutzer von Packstationen. Mich erinnern diese großen Kästen stets an ein Gefängnis, in dem die armen kleinen Päckchen – völlig unschuldig – in Einzelhaft darauf warten, bis sie jemand abholt. Als Antwort tippte die Nachbarin mit dem Zeigefinger auf den Vermerk „App-gesteuerte Packstation“.

„Ja, aber es muss doch möglich sein, ein Paket, das an eine Packstation weitergeleitet wurde, abzuholen, ohne dass man diese App auf sein Smartphone zieht“, antworte ich.

Die Nachbarin schüttelte mit dem Kopf. „Ich bin dort gewesen. Die Packstation hat keinen Monitor. Und auch nichts, wo man die Nummer eintippen kann.“ Etwas ratlos hob sie die Hände. „Ich konnte es nicht rausholen. Und wenn es zurückgeht und ich es neu bestellen muss, ist es nicht rechtzeitig zum Geburtstag da.“

Kundenfreundlichkeit geht anders

Die anschließende Recherche im Internet bestätigte, was die Nachbarin schon in Erfahrung gebracht hatte: App-gesteuerte Packstationen lassen sich nur über eine App öffnen, die man vorher auf sein digitales Endgerät gezogen hat. Darüber hinaus benötigt man an der Packstation selbst mobile Daten – und eine Bluetooth-Verbindung mit der Packstation. Besitzt man kein Smartphone (ja, solche Menschen gibt es wirklich noch!) oder steht die Packstation in einem Funkloch, kommt man nicht an sein Paket. Die einzige Möglichkeit ist dann, über die Homepage von DHL die Zustellung erneut zu beantragen. Da der Sohn der Nachbarin, der das Navi bestellt hat, in Berlin wohnt und sie nur ein Tablet ohne SIM-Karte hat, hätte sie ohne meine Hilfe das Geburtstagsgeschenk nicht aus seiner Einzelhaft befreien können.

Ich habe das Paket zwar gerne für meine Nachbarin abgeholt, mich aber gefragt, ob die Post das wirklich Ernst meint – kundenunfreundlicher geht es doch schon nicht mehr. Die Nachbarin nahm den kleinen Karton dankend in Empfang und scherzte: „Zu meinem 80ten Geburtstag lasse ich mir dann wohl ein Smartphone schenken.“

Foto: Nicole Hein

Nicole Hein ist freie Journalistin und Autorin mit den Schwerpunkten Gesundheit, Steuern, Lebensart & Wohnen.

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