Skip to content

Wer ans Meer fährt, tut dies meist um des Vergnügens willen: Schwimmen, surfen, segeln, schnorcheln, lange Strandspaziergänge. Daneben entwickeln sich die Meere immer mehr zum technischen Verfügungsraum: Transportwege führen über sie, Fischbestände werden ausgebeutet, Areale für Windparks werden abgesteckt, Bodenschätze werden abgebaut. Und Ansprüche auf künftige Ausbeutung werden erhoben und militärisch durchgesetzt.

Ankünfte und Fortgänge

Vor allem aber ist das Meer eine der großen Erfahrungen des Menschen. Die ersten Menschen, die von Land her an ein Meeresufer kamen, blickten ins Leere: Das Ende der Welt lag vor ihnen. Schon früh löste dieser Anblick jedoch nicht nur einen Horror Vacui aus, sondern stellte auch eine große Verlockung dar, ins Unbekannte aufzubrechen. Doch das Meer bedeutete nicht nur Aufbruch ins Ungewisse, sondern auch Ankunft des Ungewissen: Tauchten am Horizont etwa die schnellen Langboote der Wikinger auf, war es für eine Flucht meist schon zu spät.

Ebbe und Flut

Dem Kommen und Gehen von Menschen entspricht das Kommen und Gehen des Wassers: Ebbe und Flut sind prägende Erfahrungen. Besonders wenn der Tidenhub mehrere Meter ausmacht.

Die Flut legt die Schätze der Tiefe am Spülsaum ab. Dann ist nicht nur für Möwen der Tisch reicht gedeckt. Der Strandgänger freut sich über Donnerkeile, versteinerte Seeigel, Bernstein, rundgeschliffenes Holz, kuriose Fundstücke.

Der Wind erfrischt und vertreibt trübe Gedanken, als wären sie federleichte Wolken. Das Zusammenspiel von Wind und Wasser ermöglicht das Sommerglück eines erquickenden Bades bei schöner Brandung.

Die Bedrohung

Immer aber bleibt das Meer auch eine Gefahr. Strömungen ziehen den Schwimmer hinaus. Bei schwerem Sturm drohen an Land massive Schäden. Türmt ein durch ein Beben oder eine unterseeische Hangrutschung ausgelöster Tsunami sich zu haushohen Wasserwänden auf, kommt es bis ins Landesinnere zu schweren Verwüstungen. Dies geschieht meist ohne Vorwarnung. Das Unglück bricht jäh über die Menschen am Ufer herein. Ganze Kulturen fanden so schon den Untergang.

Der Blick hinaus

Das Meer ist ein Symbol für Anfang und Ende, für den Kreislauf des Lebens, für Frieden und Zerstörung, für Wandlung und Wiederkehr. Genau diese weitgespannte Mehrdeutigkeit führt dazu, dass Menschen seine Nähe suchen. Man steht am Ufer, schaut in die Ferne, die Gedanken setzen gleichsam Segel und treiben weit hinaus. Eine vergleichbare Erfahrung bietet sonst nur der durch keine künstliche Lichtquelle verdorbene Sternenhimmel.

Foto: Heta Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.

Dieser Beitrag hat 0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar