Dem Hahn wurden in alten Zeiten prophetische Kräfte zugeschrieben. Mit einem ironischen…
Unsere Vorfahren waren vorbildlich: Was sie vor Jahrtausenden zur Bewältigung ihres Alltags erschufen, war nicht nur ökologisch nachhaltig, sondern erwies sich auch als außerordentlich wertstabil. Steinbeile etwa haben bis in die Jetztzeit Konjunktur. Heute erzielen sie unter Sammlern hohe Preise und sind als museale Objekte geschätzt.
Beilgott, Blitz und Donner
Bis weit in die Neuzeit hinein hatten sie noch eine andere Funktion: Auf dem Lande, wo das Christentum nie mehr als nur die Oberfläche der Seelen berührt hat, galten Steinbeile und Steinäxte als Attribute des altgermanischen Gottes Thor. Dessen sagenumwobener Hammer Mjölnir ist das Urbild aller Steinbeile und Steinäxte, deren kosmische Ausgabe. Thor, Sohn Odins, war auch der Donnergott, der Gott des zerstörenden, ebenso aber erhellenden Blitzes. Als Geistesarbeiter, der immerhin auf blitzartige Eingebungen angewiesen ist, bringe auch ich diesem alten Gott eine gewisse Zuneigung entgegen.
Das Beil hält Unheil fern
Nun war der Blitz auch stets sehr gefürchtet – fuhr er in das Bauernhaus, brannte alles nieder: Stallungen, Wohnräume, Vorräte. Den Menschen lag deshalb viel daran, Thor gnädig zu stimmen. Es war gute Sitte, Steinbeile – wie der Bauer sie zuweilen beim Pflügen, beim Gräbenziehen oder bei Rodungsarbeiten fand – am Dachbalken des Hauses anzubringen, als Schutz- und Abwehrzauber gegen die Zerstörungsgewalt des Blitzes. Auch unter der Schwelle vergrub man gern Steinbeile, um das Böse abzuhalten.
Der Bauer des Mittelalters oder der frühen Neuzeit hatte kein historisches Verständnis, diese Beile galten ihm nicht als historische Artefakte, sondern als Donnerkeile (welcher Name bekanntlich auch für Belemniten, die versteinerten Spitzen des Schulps von Tintenfischen in Gebrauch ist) und mithin als Zeichen für die Anwesenheit des Donnergottes Thor.
Doch nicht nur ganz oben unter dem Dach fanden die Beile magische Verwendung, sondern auch zu ebener Erde – mit der Schneide nach oben unter der Schwelle der Eingangstür vergraben, hielten sie Unheil vom Haus und seinen menschlichen wie tierischen Bewohnern fern. Die Axt im Haus ersparte also nicht nur den Zimmermann, sondern war zugleich Ausdruck heidnischer Gottesfurcht in Zeiten, in denen das Christentum scheinbar längst auf dem Lande Fuß gefasst hatte. Doch das Seelenleben der Menschen wurde davon offensichtlich nie in der Tiefe berührt. Man ging an Sonntagen in die Kirche, blieb aber im Innersten den alten Göttern treu (aus kirchlicher Sicht war das dann “Aberglaube”). Auch die gekreuzten Pferdeköpfe auf dem Dach des Niedersachsenhauses legen davon Zeugnis ab – das Pferd ist bekanntlich das heilige Tier des Odin.
Beilfälscher
Begehrte Güter rufen stets Fälscher auf den Plan, das kann man auch heute noch beobachten: Längst nicht jede Rolex ist auch eine. In früheren Zeiten dürfte auch das mit Zauberkräften versehene Beil ein solches Gut gewesen sein. Denn nicht jeder Bauer fand eines. Das könnte dazu geführt haben, dass findige, handwerklich begabte Zeitgenossen sich selbst als Flintschmiede betätigten und der starken Nachfrage mit einem entsprechenden Angebot zu begegnen wussten (die Herkunft aus eigener Produktion natürlich verheimlichend). Wobei man voraussetzen darf, dass auch ihnen die historische Dimension der Steinbeile unbekannt war – sie ahmten etwas nach, was man hier und da eben in der Erde fand.
Foto: Lutz Meyer (unter Verwendung einer Schwarzweißfotografie von Theodor Möller)
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