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Wer kennt das nicht? Probleme im Privatleben oder auf beruflicher Ebene führen dazu, dass man sie stunden- oder tagelang hin und her wälzt und doch zu keiner vernünftigen Erkenntnis kommt, wie sich das Problem lösen lässt. Könnte das daran liegen, dass uns dabei die räumliche Dimension fehlt? Statt Probleme nur in unserer Vorstellung zu bewegen, könnten wie sie uns auch in einer Aufstellung veranschaulichen.

Keineswegs so platt wie ein Brett

Manch einer schaut verachtungsvoll auf Erwachsene, die sich beim Spiel vergnügen, scheint ihnen doch der Lebensernst abzugehen. Zu Recht? Das Folgende soll der vorsokratische Denker Heraklit den Mitbürgern seiner Heimatstadt Ephesos entgegnet haben, als diese ihn dabei ertappten, wie er mit Kindern ein Spiel spielte und sie ihn darob verwundert anstarrten: „Was gafft ihr, ihr Schufte? Ist es nicht besser, dergleichen zu tun, als sich mit euch um die Angelegenheiten der Stadt zu kümmern?“

Einfach mal ausprobieren

Betrachten wir Heraklits schroffe Entgegnung als Ermutigung, es unsererseits einmal mit einem Brett und einigen Spielsteinen zu versuchen. Die Rede ist von einem sogenannten „Familienbrett“, das dazu dienen kann, eine wiederum sogenannte „systemische Aufstellung“ vorzunehmen. Das Spielmaterial besteht nebst einem Holzbrett aus einigen Figuren, die Menschen symbolisieren und ein paar Bauklötzen, mit denen man beispielsweise Mauern oder Brücken errichten kann. Wer die Investition für die Profiversion scheut, kann auch leicht mit Materialien improvisieren, wie sie sich in wohl jedem Haushalt anfinden. Das mag dann nicht so schön sein, aber seinen Zweck erfüllt es allemal (man sollte darauf achten, dass die Figuren nicht zu individuelle Züge tragen – Lego- oder Playmo-Figuren sind ungeeignet, Korken von Weinflaschen oder ein in Stücke zersägter Besenstiel wären besser).

Diejenigen Figuren des Spiels, die Menschen symbolisieren, sind gefühlsneutral. Sie deuten Emotionen nicht einmal an. Einige blicken starr in eine Richtung, andere sind gänzlich blicklos. Die Blickrichtung steht – wie die Nähe oder Ferne der Figuren zueinander – für die Beziehung, die ein Mensch zu seiner Umgebung hat: Sieht er in die eine Richtung, kann er nicht gleichzeitig in die andere schauen. Ist er nah, kann er nicht gleichzeitig fern sein. Dreht man nun eine Figur um, sodass sie in eine andere Richtung schaut, wird einem plötzlich auf sehr anschauliche Weise klar, dass die Welt nun etwas anders aussieht. Die räumliche Dimension hilft, einen Seelenstatus und die Ausrichtung von Beziehungen intuitiv zu erfassen und Änderungsperspektiven sowie Handlungsspielräume zu erkennen.

Einfach und effektiv

Die Spielanleitung ist denkbar einfach: Positioniere die Spielsteine so, dass sie deine augenblickliche Situation symbolisch darstellen. Mach das ohne langes Grübeln aus dem Bauch heraus. Dann schau dir das Szenario gründlich an, versuche es in seiner Mehrdimensionalität und auch räumlichen Tiefe zu verstehen. Erkennst du dich selbst und dein Problem wieder? Nun bewege die Figur, die dich symbolisiert, drehe sie um, setze sie um. Ändert sich was?

Versetze auch die Figuren, die andere Menschen darstellen. Dieses einfache Spiel, ich betone es aus eigener Erfahrung, ist nicht nur geeignet, Probleme in der Beziehung oder in der Familie besser zu verstehen und neue Lösungsansätze zu erkennen. Es kann auch Denkanstöße im Beruflichen oder Geschäftlichen geben. Man muss nur in der Lage sein, die Symbolik zu entschlüsseln und das auf dem Brett Erkannte auf das eigene Leben zu übertragen. Auch dieser entscheidende Schritt sollte eher auf intuitive als auf rationale Weise erfolgen.

 

Foto: Lutz Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.

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