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Strandgut

Wenn ich am Strand unterwegs bin, habe ich kaum einen Blick für die blaue Ferne. Mein Blick ist meist nach unten gerichtet, denn dort liegen die Dinge, die das Meer nicht mehr haben will. Sogenanntes Strandgut also. Darunter einmal auch ein angekokeltes Holzstück und ein angerosteter Eisenbeschlag. Wieder zu Hause, kombinierte ich beides mittels einer Schraube zu einer imaginären Kaimauer mit Leuchtturm. Ein paar Striche mit Wachsmalkreide dazu, fertig war die maritime Impression.

Ich hängte das Ding an die Wand, wo es alsbald auch einer Bekannten auffiel. Ich fragte: „Gefällt dir der Leuchtturm?“  Sie: „Welcher Leuchtturm?“ ich: „Na, dieses Teil da.“ „Ach, ich dachte, das wäre ein verrosteter Phallus.“ Gut, so konnte man es wohl auch sehen. Spontan fiel mir sogar die passende ärztliche Diagnose ein: Lattenrost (in diesem Fall der, nicht das). Muss sehr unangenehm sein.

Seither kann ich jedenfalls nicht mehr an diesem Arrangement aus Strandgut vorübergehen, ohne an der schier unendlichen Auslegbarkeit der Welt zu gedenken.

 

Foto: Lutz Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.