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Osterei

Der Trend geht zur Natürlichkeit. Deko-Material für Wohnung und Garten soll möglichst echt aussehen. Ich finde zwar Dinge besser, die echt sind und nicht nur wie echt aussehen, doch bei Eiern für den Garten sind Plastikdouble ein guter Kompromiss. Sie scheinen direkt vom Vogel zu stammen, ich muss sie aber nicht mühsam auspusten und vor allem keine Sorge haben, dass der nächste Frühlingsregen die Farbe abwäscht. Allerdings sind Plastikeier leicht. Sehr leicht. Deshalb weht der Wind mir mit schöner Regelmäßigkeit ein paar Eier vom Strauch. Vergangenes Frühjahr war es offenbar so stürmisch, dass zwei grüne Eier weiter geflogen sind als sonst. Erst nachdem der Winter sämtliche Blumen dahingerafft und den buschigen Himbeerstrauch entlaubt hat, tauchten die beiden Exemplare in der hintersten Ecke des Gartens auf. Eins hatte die Größe eines Vogeleis, das andere glich einem Hühnerei in Größe S. Mein Sohn entdeckte sie vor ein paar Tagen als erster.
„Schau mal, da liegen Eier. Wo kommen die denn her?“

Wegen des naturgetreuen Aussehens dachte er zuerst, sie wären aus einem Nest gefallen. Aber mitten im Winter? Deshalb konnte direkt zuordnen, dass es verwehte Osterdekoration sein musste. Wobei die Eier ohne den bunten Faden zum Aufhängen täuschend echt aussahen. Inzwischen hatte mein Sohn sie aufgehoben – und fing an zu lachen. Denn nicht nur er war darauf reingefallen, sondern auch ein Vogel. Ich habe spontan eine der Elstern in Verdacht, die gelegentlich stolz durch unseren Garten spazieren. Ob es nun eine gewesen ist oder eine Krähe oder Dohle, werden wir nie erfahren. Aber einer der gefiederten Nesträuber muss sich voller Vorfreude auf einen leckeren Snack auf die grünen Eier gestürzt haben. Nur um am Ende festzustellen, dass außer Luft nichts hinter der Eihülle auf ihn wartete. Ob dem Räuber da schwante, dass er auf ein Plastikei hereingefallen ist und völlig umsonst mühsam mehrere Löcher hineingepickt hat?

Fast tat mir das Tier leid und ich habe großzügig an der Fundstelle Rosinen und Vogelfutter verteilt. Den Plastikmüll habe ich in der Tonne entsorgt. Diese Ostern werde ich die Eier durchzählen, bevor ich sie in den Strauch hänge. Oder ich mache mir doch die Mühe und puste Hühnereier aus. Falls davon ein paar verschwinden würden, könnte ein Vogel natürlich ebenfalls vergeblich im Inneren nach Eidotter suchen, aber wenigstens müsste er sich nicht durch eine beinahe steinharte Schale picken – nur um am Ende ungenießbares Plastik im Schnabel zu haben.

Foto: Nicole Hein

 

Nicole Hein ist freie Journalistin und Autorin mit den Schwerpunkten Gesundheit, Steuern, Lebensart & Wohnen.

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