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Sanduhr im Grünen

Glück wird oft mit Zeitlosigkeit in Verbindung gebracht – der glückliche Moment dehnt sich ins Unendliche, kein Werden, kein Vergehen: Verweile doch, du bist so schön. Schaut man sich indessen an, welches Verhältnis glückliche Menschen zum Erleben der Zeit haben, tritt ein anderer Befund zutage: Glücklich ist, wer seine Vergangenheit akzeptieren kann und mit ihr im Reinen ist. Glücklsich ist, wer in der Gegenwart in Gemeinschaft mit anderen Menschen einer für sinnvoll erachteten Beschäftigung nachgeht. Glücklich ist, wem es für die Zukunft nicht an Perspektiven fehlt.

Vielen Menschen fehlt es an positiven Bezügen: Die Vergangenheit wird als verletzend erlebt, es ist keine Versöhnung möglich, noch in der Gegenwart kämpft man mit ihren bösen Geistern. Und weil die Gegenwart deshalb kein erfüllendes Tun zulässt, fällt auch auf die Zukunft ein düsterer Schatten. Das Leben erscheint als perspektivlos. Doch es geht auch anders.

Vergangenheit

Vergangenheit ist nicht bloß die individuelle. Sie umfasst neben der eigenen bereits erlebten Zeit und der familiären Herkunft auch das Eingebundensein in einen historisch-kulturellen Komplex: Deine Leute, dein Land, deine Geschichte. Mit allem, was sich an Schönem und Schrecklichen ereignet haben mag. Das Individuum wurzelt in seiner Herkunft – wer sie verleugnet, entwurzelt sich und ist seines Nährbodens beraubt.

Gegenwart

Es geht nicht darum, das Dasein als schier endlose Kette stimulierender Ereignisse aufzufädeln. Das sind die gekauften Momente, die eben nicht bleiben. Entscheidend ist es, das eigene Leben zu gestalten, etwas Sinnvolles zu erbauen – gemeinsam mit anderen Menschen. Dieses Erbaute trägt das Dasein durch die Gegenwart. Würde man das Dasein als Pflanze betrachten, ginge es hier um die Zeit des Keimens, Wachsens und Erblühens.

Zukunft

Ist die Vergangenheit der Wurzelgrund oder Humus und die Gegenwart das blühende Wachstum, so steht die Zukunft für das Reifen und Fruchten. Die Frucht markiert zugleich das Ende eines Zyklus: Das Gewachsene verfällt, kehrt in den Wurzelgrund zurück, reichert ihn so für künftiges Leben an. Diese Perspektive auf das Ende erschreckt manchen – anderen erscheint sie als Erfüllung ihres Daseins. Das als Glücl ansehen zu können, ist wahrscheinlich das Höchste, was wir erreichen können.

In der Mythologie sind die drei Weisen, in den Zeit sich zeigt, Schicksalsgöttinnen zugeordnet: den Nornen der Germanen, den Parzen der Römer und den Moiren der Griechen. Sie spulen den Lebensfaden ab, messen ihn zu, schneiden ihn ab. Man könnte das menschliche Zeiterleben auch als Spiegel natürlicher oder erdgeschichtlicher oder gar kosmischer Zyklen betrachten. Das Ganze jederzeit im Blick zu haben, wäre ein sinnvoller Ausgangspunkt für die Glücksforschung.

 

Foto: Lutz Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.

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