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Anlässlich meines Beitrags über die tatsächliche oder eingebildete Unkeuschheit der offenen Hose wurde ich mehrfach auf das Titelbild angesprochen: Das symbolische Möhrchen sei doch arg mickerig. Abgesehen davon, dass ich gerade keine größere Möhre zur Hand hatte, konnte ich auf das Vorbild antiker Statuen verweisen. Hier ist das männliche Genital fast immer im Kleinformat dargestellt. Warum war das so?

Der symbolische Penis

Die Darstellung des nackten Körpers in der Antike suchte die Balance aus Naturtreue (anatomisch korrekt) und Idealisierung (wünschenswert erscheinende Eigenschaften wie Kraft und Anmut zuweilen übertrieben). Warum also das eher kleine Gemächt? Es erscheint weder als wünschenswert noch ist es in jedem Fall naturgetreu.

Selbstverständlich kannte bereits der antike Mensch natürliche Größenunterschiede. Wählte man in der Darstellung stets die kleine Form, so hatte dies vermutlich einen guten Grund: Man wollte zwar den männlichen Körper in seiner Gänze darstellen, die Aufmerksamkeit jedoch nicht zu sehr auf die Anatomie der Körpermitte lenken. Ein Totalverzicht auf den Genitalbereich hätte der Natur nicht entsprochen und Fragen aufgeworfen. Eine allzu naturgetreue Darstellung von Größenunterschieden wiederum hätte leicht ins Zotige oder Pornografische führen können. Also wählte man die symbolische Form: Der Penis ist da – aber eben dezent und nur als eine Art überindividueller Stellvertreter.

Freilich gab es Ausnahmen: Satyrskulpturen etwa zeigen voll ausgeprägte Erektionen – und das auch noch in hemmungslos übertriebener Größe. Beim Satyr geht das in Ordnung. Er steht für das wilde, chaotische dionysische Element. Man stelle sich aber nur für einen Moment die für das geordnete, geistige apollinische Element der griechischen Kultur stehenden antiken Marmorstatuen von Göttern, Halbgöttern und Helden mit Satyr-Ausstattung vor. Nicht auszudenken!

Feigenblätter und Weggemeißeltes

Mit dem aufkommenden Christentum galt die allzu detailreiche Darstellung des nackten Körpers als anstößig. Also sann man auf Abhilfe. Teils wurde das unerwünschte Detail mit aus Blech gefertigten Feigenblättern zugehängt oder übermalt, teils wurde es mithilfe von Hammer und Meißel gleich ganz entfernt.

Nun ist es aber bekanntlich so, dass das Abgedeckte oder anderweitig den Blicken Entzogene erst recht die Neugierde weckt: Wie mag es unter dem Feigenblatt aussehen? Die Phantasie beginnt sich zu regen. Also stehe man doch lieber zu den Tatsachen der Natur – und erfreue sich ihrer lustvoll.

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.

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