Dem Hahn wurden in alten Zeiten prophetische Kräfte zugeschrieben. Mit einem ironischen…
Die Idee stammte von einem Guru aus der Agenturbranche, dessen Namen ich längst vergessen habe. Meetings, so lautete seine These, wären wesentlich kürzer, wenn alle Teilnehmer dabei stehen würden. Außerdem würden beim Herumstehen die kreativen Ideen nur so sprudeln. Da solche Innovationen immer einen schicken Namen brauchen, trafen wir Angestellte einer hippen PR-Agentur uns nun jeden Montagmorgen zum „Steh-Meeting“. Der Name, ein Zwitter aus Deutsch und Englisch, war wegweisend, so im Nachhinein betrachtet. Denn die Besprechung im Stehen war tatsächlich nichts Halbes und nichts Ganzes. Nicht wissend wohin mit den Händen, standen die Redakteure, Bildredakteure, Grafiker, Volontäre und die Sekretärin im Raum herum. Manche wippten auf den Zehen, andere kreuzten die Beine und verharrten stocksteif auf einer Stelle. Kreativität entsprang aus dieser für alle – ausgenommen den Chefs – peinlichen Runde jedenfalls nicht. Und die Kollegen, die im Sitzen wortreiche Monologe führten, taten das auch im Stehen.
Neue Wege gehen
Die Redaktionen und PR-Abteilungen, mit denen ich jetzt als Freiberuflerin zusammen arbeite, sind alle recht bodenständig und haben eine normale Besprechungskultur – mit einem vorab festgelegten Zeitfenster, mehr oder weniger bequemen Stühlen und einem Glas Wasser oder einer Tasse Kaffee. Nur für die Besprechungen mit einem langjährigen Kollegen gehe ich im wahrsten Sinne des Wortes neue Wege. Wir halten unsere Meetings beim Spazierengehen ab. Während die Beine kräftig ausschreiten und die Arme an den Seiten schwingen, kommen die kreativen Ideen von ganz alleine.
„Walk-along-Meeting“
Für die konzeptionelle Entwicklung von beispielsweise Mailings, PR-Strategien oder Online-Portale schlagen wir uns schon mal zwei Stunden über Stock und Stein durchs Unterholz. Anfangs ernteten wir noch skeptische Blicke der anderen morgendlichen Waldbesucher. Da wir ohne Hund unterwegs waren, fielen wir auf. Doch mittlerweile kennt man sich. Wir wissen, welche Strecke Waldi und sein Frauchen gewöhnlich nehmen und mit Bello und seinem Herrchen sind wir längst per Du. Nur einen schicken Namen haben wir für unsere Besprechungskultur noch nicht gefunden. „Geh-Meeting“ scheint uns doch etwas platt zu sein. Aber wer weiß, vielleicht entwickelt ein pfiffiger Unternehmensberater eines Tages die These, dass ein bewegter Geist einen bewegten Körper braucht und verkauft sie hippen Agenturen als „Walk-along-Meeting“ oder so. Falls das passiert, werde ich freundlich lächelnd sagen: „Ach, das ist doch ein alter Hut!“
Foto: Nicole Hein
Dieser Beitrag hat 0 Kommentare