Sprache fließt, Sprache strömt, Sprache bewegt – so auch das Wasser. Sprache…
Steinsalz gilt als profanes und billiges Allerweltswürzmittel mit leichter Tendenz zum Ungesunden. Meersalz hingegen wird als Delikatesse hoch gehandelt (besonders hoch als Fleur de sel). Chemisch sind beide Salzarten nahezu identisch – sowohl Meer- als auch Steinsalz bestehen zu fast 100 % aus Natriumchlorid. Meersalz enthält im Unterschied zu Steinsalz winzige Spuren u. a. von Kalium, Magnesium und Mangan und neuerdings auch von Mikroplastik. Die zum Verwechseln ähnliche chemische Beschaffenheit verwundert nicht, ist doch auch das Steinsalz nichts anderes als ehemaliges Meersalz.
Steinsalz ist also das abgelagerte Salz uralter Meere, weswegen der Anbieter „Erntesegen“ sein Steinsalz auch zum „Ursalz“ adelt – das kostet dann gleich etwas mehr als profanes Steinsalz. Wichtig für den Preis scheint auch zu sein, woher das Steinsalz stammt. Wurde es in irgendeinem Bergwerk gefördert und trägt es nicht den Namen „Ursalz“, ist es billig. Wurde es hingegen in den pakistanischen Salt Range-Bergen gewonnen, wird es zum Himalayasalz promoviert, obwohl der Gewinnungsort vom Fuße des Himalayagebirges noch gute 300 Kilometer entfernt ist. Bei unveränderter chemischer Zusammensetzung sind die Preise nunmehr allerdings wirklich gesalzen. Und während das Speisesalz aus dem Discountermarkt industriell zu Tage gefördert wird, darf man davon ausgehen, dass beim sogenannten Himalayasalz überwiegend Handarbeit gefragt ist – wahrscheinlich sogar von Kindern. Das aber scheint westlichen Wohlstandsgaumen seltsamerweise besonders zu munden.
Das Salz in unserem Mund
Es gab Zeiten, in denen Salz weder ein Lifestyle- noch ein Billigprodukt war, sondern schlicht beim Überleben half. Im Mittelalter galt es als weißes Gold (ein Name, der später auch dem Porzellan zuteil wurde und heute nach Bedarf für Kokain, Methanhydrat, slowakischen Schafskäse und Spargel genutzt wird). Salz war deswegen so kostbar, weil man es zum Konservieren von Speisen verwenden kann – allem voran von Heringen und Kabeljau, der bevorzugten Fastenspeise der christlichen Welt.
Was lässt so viele Menschen nun zum teuren Meersalz greifen? Meersalz klingt nach der unendlichen Weite und Freiheit der Meere, nach neptunischen Genüssen, maritimen Urlaubsfreuden und urwüchsiger Gesundheit. Und vielleicht auch ein klein wenig erotisierend in Richtung „Das Salz auf unserer Haut“. Steinsalz hingegen lässt uns an die ausgeräumten Salzlagerstätten im östlichen Niedersachsen denken und diese wiederum an Atommüll. Doch drohen nicht gerade die Meere zu Endlagerstätten von allerlei Müllsorten zu verkommen, weswegen Meersalz (und insbesondere das teure Fleur de sel) eben heute Mikroplastik enthält? Trotzdem sind wir bereit, mehr dafür zu bezahlen. Gutes Marketing halt.
Doch ob Steinsalz oder Meersalz: In irgendeiner Form sollten wir es in hinreichender Menge zu uns nehmen. Denn Salz ist für den Erhalt des Zellstoffwechsel lebensnotwendig. Seinen schlechten Ruf als Krankmacher verdankt Salz seinem Einfluss auf den Blutdruck – jedenfalls bei salzsensitiven Hypertonikern.
Foto: Lutz Meyer (zu sehen ist übrigens Meersalz)
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