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An manchen Tagen frage ich mich, wer mit Homeschooling beschäftigt werden soll: die Kinder oder wir Eltern? Gestern Morgen fing nach zwei Wochen Osterferien die Schule wieder an. Mein Arbeitstag begann damit, meinem 6-Klässler Arbeitsblätter auszudrucken und nach Schulfächern sortiert auf einen Stapel zu legen. Er entschied sich weder für Mathe, Deutsch, Englisch, Biologie oder Physik, sondern für Kunst.

Die Aufgabe lautete: Drei hühnereigroße, flache Steine zu suchen und sie zu bemalen. Und zwar so, dass sie dem Betrachter „ein Lächeln ins Gesicht zaubern“. Nach dem Trocknen sollten die Steine mit Butter, Margarine oder Öl eingerieben werden, damit sie schön glänzten. Anschließend noch fotografieren und das Bild der Lehrerin mailen. Die Steine durften danach verschenkt werden.

Klassenzimmer auf der Terrasse

Nun ist an der Idee nichts verkehrt. Geschenke sind immer toll und jemandem in Zeiten wie diesen eine Freude zu bereiten, ist durchaus löblich. Nur mir trieb die Kunstaufgabe eher Schweißperlen auf die Stirn, anstatt dass sie ein Lächeln zauberte. Vor meinem inneren Auge sah ich meinen Sohn im Wohnzimmer auf unserem Esstisch mit Acrylfarben und Spraydose hantieren. Wenigstens würde er hinterher das neue Mehrfarbendesign unseres ansonsten schlichten Massivholztisches mit meinem teuren Walnussöl auf Hochglanz bringen. Ich entschied mich spontan, dass ich mein Homeoffice erst zwei Stunden später öffnen würde. Statt am Schreibtisch zu arbeiten, wühlte ich also aus der Papiermülltonne alte Zeitungen hervor, suchte Pinsel und öffnete die kindersicheren Verschlüsse von Farb- und Spraydosen. Glücklicherweise schien die Sonne, weswegen ich das Klassenzimmer auf die Terrasse verlegte. Dort konnten der feine Sprühnebel und ein unabsichtlich auf den Tisch gelegter Farbpinsel weniger Schaden anrichten.

Drei Steine, mehrere knallgelbe Grasbüschel und ein knallgelber Rahmen auf dem alten Plastik-Kleinkindertisch später, war mein Sohn fertig mit seinem morgendlichen Homeschooling. Da er nicht wusste, wo ich die Acrylfarben kindersicher im Keller aufbewahrte, übernahm ich das Wegräumen der Materialien. Für die nächste Schul-Runde am Nachmittag setzte ich Mathe auf den Stundenplan. Das musste ich wenigstens nur kontrollieren und nicht beaufsichtigen. Bis dahin stand auf meinem Plan aber noch Home-Arbeiten, Home-Cooking und Home-Betreuing des Grundschülers.

 

Fotos: Nicole Hein

Nicole Hein ist freie Journalistin und Autorin mit den Schwerpunkten Gesundheit, Steuern, Lebensart & Wohnen.

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