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Wir sehen mitunter mehr, als wir wirklich sehen. Und damit sehen wir durchaus richtig. Für diese Art von Sehen sind wir gleichsam mit einem zusätzliche Auge ausgerüstet.

Ein fossiler Herzseeigel lässt uns nicht nur an das versteinerte Lebewesen und an geologische Formationen denken. Man denkt, weil der Herzseeigel eben in mineralisierter, versteinerter Form vor uns liegt, vielleicht auch an das steinerne, empathielose, kalte Herz. Oder man denkt, weil man mehr das Herz als den Stein sieht, an Liebe. Immerhin steht das Herz wie kein anderes Symbol für die tiefe Neigung, die zwei Menschen füreinander empfinden. Zyniker weisen freilich gern darauf hin, dass das klassische, schön gerundete und gekerbte Herzsymbol um 180 ° gedreht und auf den Kopf gestellt zum nackten, nicht minder schön gerundeten Hinterteil wird. Doch die Symbolkraft mit Verweis auf die Liebe bleibt selbst dann: An die Seite der Philia tritt der Eros. So what?

Wer Signaturen erkennt, lebt gesünder

Bemerkenswert ist diese Art des Sehens, das hinter die Dinge blickt und noch etwas anderes in ihnen sieht als das, was sich dem analytischen Blick darbietet, weil es unseren Horizont erweitert. Diese Art des Sehens begegnet uns in der Signaturenlehre: Die Natur steckt voller Zeichen, die auf Zusammenhänge und Ähnlichkeiten hinweisen, die den bloßen naturwissenschaftlichen Befund übersteigen. Der nüchterne Blick sieht beispielsweise nur die Walnuss, sieht den Ernteertrag und Handelserlöse. Das erweiterte Sehen erkennt darüber hinaus die Ähnlichkeit der Walnuss mit dem menschlichen Gehirn und folgerte schon vor Jahrhunderten, dass die Walnuss der geistigen Gesundheit zuträglich sein müsse – ein Befund, den die analytisch-naturwissenschaftliche Medizin unserer Tage inzwischen bestätigt hat: Walnüsse enthalten Omega-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren im optimalen Verhältnis, liefern Vitamin B und Vitamin A, Kalium, Zink, Magnesium, Eisen und Kalzium. Um all diese wirksamen Bestandteile der Walnuss analytisch-naturwissenschaftlich zu erkennen, bedarf es allerdings eines erheblichen technischen und finanziellen Aufwands.

Neben der Walnuss gibt es weitere Beispiele, in denen die Signaturenlehre verblüffende Erfolge aufweisen kann: Die Zwiebel der Herbstzeitlose etwa, einem gichtigen Zeh nicht unähnlich, hilft tatsächlich bei Gichtleiden. Doch nicht immer liegt die Signaturenlehre richtig – weder ist der Spargel der Potenz in besonderer Weise dienlich noch hilft der Frauenmantel wirklich bei Frauenleiden. Aber das könnte auch schlicht daran liegen, dass man im Einzelfall die Zusammenhänge nur noch richtig entschlüsselt hat.

Der Grundgedanke, der der Ähnlichkeitslehre zugrunde liegt, ist der, dass es ein universales Ordnungsprinzip gibt, das die Dinge zueinander in Beziehung setzt – ob eine Beziehung vorhanden ist, erkennen wir durch das Hinschauen (aber auch durch Riechen, Hören oder Schmecken). Und dieser Grundgedanke hat für mich etwas sehr Berührendes – steht er doch dafür, dass die Welt im Ganzen nicht nur sinnvoll geordnet ist, sondern dass dieses Sinnvolle zugleich etwas Wunderbares ist.

Foto: Lutz Meyer

 

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.

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