Plötzlich ist es da: Das Ereignis, mit dem niemand ernsthaft gerechnet hatte…
Geiz und Verschwendung lassen sich nicht nur wirtschaftlich deuten. Es gibt den existenziellen Geiz, der selbst an freundlichen Gesten spart, wie es auch die existenzielle Verschwendung gibt. Im Gegensatz zur ökonomischen Verschwendung wollen wir die existenzielle Verschwendung ähnlich der Blütenpracht ausschließlich positiv sehen.
Geiz und Verschwendung existenziell
Es gibt diese Naturen, denen kaum ein freundliches Wort über die Lippen kommt, die niemals mit etwas aushelfen würden ohne Aussicht auf Erstattung, die auch bei der geringsten ihrer Handlungen stets auf den Nutzen schielen. Überhaupt scheint der Nutzen im Sinne des Ausnutzens ihr stärkster Antrieb zu sein. Wenn sie denn mal etwas geben, tun sie es in wohlkalkulierter Absicht.
Dabei geht es keineswegs nur um materielle Spenden – auch Gedanken und Gefühle, die man großzügig mit anderen teilen könnte, werden krampfhaft unter Verschluss gehalten, sofern sich keine Gewinnaussicht ergibt.
Ganz anders der existenzielle Verschwender – mit vollen Händen verteilt er, was er zu verteilen hat: Ideen, Anregungen, Gefühle, Erkenntnisse, Einsichten, Erlebtes. Und erst recht natürlich materielle Besitztümer, oft bis an die Grenze des wirtschaftlich Vernünftigen. Hauptsache spenden, teilen, geben, kleine Freuden machen. Der Geizige mag den Verschwender einen Narren schelten, doch tatsächlich ist der Verschwender viel klüger. Er kennt etwas, was dem Geizigen auf ewig verschlossen bleiben wird. Er kennt es, ohne es explizit benennen zu müssen.
Die schenkende Tugend
Der Verschwender weiß um die schenkende Tugend, die gleich der Sonne die Welt durchwebt. Verschwendung, wie sie auch in der Natur überall sichtbar wird, ist ein, wenn nicht das fundamentale Prinzip allen Lebens. Wir sehen es überall im Alltag: Die Kunst eines Straßenmalers oder Straßenmusikers mag nicht jedermanns Sache sein. Doch oft erheitert sie den Betrachter oder Zuhörer. Und die im Gegenzug hingeworfene Münze ist keine Bezahlung, sondern Symbol des Dankes. Eine freundliche Geste gegenüber Fremden, ein liebenswürdiges Wort zu einem Unbekannten macht selbst die Warteschlange an der Supermarktkasse zu einem lebenswerteren Ort. Oder die Texte auf dieser Seite: Es sind freiwillige Spenden, für die nichts erwartet wird. Sollte ein hier geäußerter Gedanke irgendwo auf fruchtbaren Boden fallen, wäre das schon Lohn genug. Auch die Liebe funktioniert nur so: Ich bin immer bereit, mehr zu geben, als zu empfangen. Wenn ich alles gebe, werde ich dennoch alles bekommen. Verschwendung feiert das Leben, Verschwendung feiert die Liebe.
Foto: Lutz Meyer