Skip to content

Auf einer morgendlichen Strandrunde zwischen dem Leuchtturm von Pelzerhaken und dem Badesteg von Rettin sah ich einem schwarzen Feuerstein im Sand liegen. Scharf abgesetzt in weißer Kreide war darauf die sogenannte Lebensrune zu sehen – etwas plump ausgeführt zwar, doch für eine Laune der Natur recht ordentlich und klar erkennbar gemacht. Ich freute mich, las den Stein auf und nahm es als gutes Zeichen. Ich ging weiter und sann über den Zufall nach.

Zufall oder von Bedeutung?

Ebenso gut hätte ich den Rundgang in anderer Richtung absolvieren können. Dann hätte ich die Lebensrune als Sturzrune wahrgenommen – also als Zeichen des Todes. Wahrscheinlich hätte ich mich dann weniger gefreut, aber den Stein wegen seiner Einzigartigkeit wohl doch mitgenommen. Oder hätte ich ihn wegen des anderen Lichteinfalls womöglich übersehen?

Zeichen lesen

Immer wieder fällt mir auf, wie sehr viele Menschen doch auf Zeichen achten. Eine vor einem die Straße querende Katze bedeutet – je nach Richtung – etwas Gutes oder etwas Schlechtes. Der rationale Durchschnittsmensch winkt sogleich ab: Aberglaube. Doch nicht jedes Achten auf Symbole weist zugleich auf einen Aberglauben.

Denn was der rationale Geist als primitiven Wahn abtut, ist Ausdruck eines anderen Denkens, das in der Welt mehr sieht als eindeutig Erklärbares. Wir lesen in der Welt, deuten Zeichen, achten auf Dahinterliegendes. Allein der Gedanke, dass die Welt mit Bedeutungen aufgeladen sein könnte, die es zu erkennen und zu dechiffrieren gilt, hat für mich etwas Magisches. Die Welt wird reicher, weiter, schöner und strahlender. Da mag die Welt einem mitunter als noch so durchtechnisiert, organisiert und bürokratisiert erscheinen – all das ist nur Oberfläche, unter der eine andere Ordnung der Dinge sichtbar wird.

Die Frage, ob das wirklich so ist oder ob sich all das nur im Kopf abspielt, trifft die Sache nicht. Natürlich ist die Welt in meinem Kopf. Zugleich aber ist mein Kopf in der Welt.

 

Foto: Lutz Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.

Dieser Beitrag hat 0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar