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Steine können auch ohne menschliches Zutun ihr Aussehen verändern. Nur dauert das meist etwas länger. Am Ende der letzten Eiszeit – die Gletscher hatten sich schon wieder ein wenig in Richtung Skandinavien zurückgezogen – pfiffen in Norddeutschland eisige Winde über spärlich bewachsenes Land. In den kurzen Sommern zogen vielleicht ein paar Rentierherden durch die Ödnis, gefolgt von vereinzelten Gruppen altsteinzeitlicher Jäger. Doch ansonsten gab es vor allem diese eisigen Winde. Sie formten alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Auch Steine, die von den voranrückenden Gletschern auf der kahlen Ebene abgelegt worden waren und nun einsam und schutzlos dalagen, waren den winterlichen Stürmen aus Nord und Nordost preisgegeben. So entstanden im Laufe von vielleicht einigen Hundert Jahren die Windkanter, die uns heute durch ihren geradezu stromlinienförmigen Linienschwung beglücken. Da war kein menschlicher Künstler am Werk. Das war allein der Wind. Fast – denn der Wind brachte auch den Sand, den er auf seinen Wegen antraf, in Bewegung und blies ihn, oft mit Orkanstärke, auf den Stein. Ein natürliches Sandstrahlgebläse war es also, das diese Form zustande brachte.

Auch Menschen werden geformt – nicht so sehr von Sand und Winden (außer Wüstenbewohner), doch auch hier gibt es die formende Kraft, die den Charakter prägt. Man möchte manche Menschen fragen: Und welcher Wind formte dich? Von welcher Art war dein Sand? War er grobkörnig oder eher feinkörnig?

Foto: Lutz Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.

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