Dem Hahn wurden in alten Zeiten prophetische Kräfte zugeschrieben. Mit einem ironischen…
Man nennt ihn das Gold des Nordens. Doch im Unterschied zum Edelmetall Gold ist der Bernstein federleicht. So leicht, dass er zwar nicht wie Kork auf dem Wasser schwimmt, aber sich – vom salzigen Wellengang und der Strömung getragen – gleichsam schwebend im Meerwasser bewegt. Sind Strömung und Wellengang stark genug, werden auch größere Brocken aufs Ufer geworfen und sammeln sich am Spülsaum oder im strandnahen Flachwasser.
Seit Urzeiten hat Bernstein den Menschen fasziniert. Man fertigte Schmuck aus ihm und verkochte ihn auch zu Lack, um die weißen Steinsäulen antiker Tempel mit einem Goldschimmer zu überziehen, den Göttern zu Ehren. Er war als Handelsgut zu allen Zeiten begehrt. Die Handelswege führten in der Bronzezeit aus dem Nordseeraum nach Griechenland und weiter nach Ägypten. Nachdem der Bernsteinhandel aus dem Nordseeraum am Ende der Bronzezeit zum Erliegen gekommen war, verlagerte er sich zu Römerzeiten ostwärts – Bernstein kam fortan fast nur noch aus dem Baltikum. Noch heute verbinden neun von zehn Menschen Bernstein eher mit der Ostsee als mit der Nordsee.
Als der Bernstein vor etwa vierzig Millionen Jahren langsam aus zähflüssigen, dicken Harztropfen der Bernsteinkiefer entstand, umschloss die im frischen Zustand klebrige Substanz gelegentlich auch Rindenstücke oder Mücken und Spinnen und sogar kleine Eidechsen und konservierte zartes zerbrechliches Leben für die Ewigkeit. Solche Exemplare jedoch sind selten.
Doch sind Bernsteine nun Steine oder nicht? Als fossiles, fest und spröde gewordenes Harz könnte man sie als Versteinerungen ansprechen. Doch anders als bei einem versteinerten Seeigel ist die organische Substanz noch sehr viel präsenter – geradezu lebendig. Das zeigt sich in der Zerstörung: Bernstein lässt sich verbrennen – der Duft, den er dabei verströmt, ist eindeutig harzig. Solch exquisites Räucherwerk versetzt uns also in die staunenswerte Lage, dass wir nicht nur – wie etwa beim versteinerten Seeigel – die Formen, sondern auch so etwas höchst Vergängliches wie den Duft einer längst versunkenen Welt wahrnehmen können.
Foto: Lutz Meyer
Dieser Beitrag hat 0 Kommentare