Das Bild vom einsamen Denker in seiner Studierstube hält sich hartnäckig in…

Endspurt zur Bundestagswahl. Das Buhlen um die Wähler läuft noch einmal zu Höchstformen auf – und die Plakatierung auf den Straßen ebenfalls. Seit Freitag grinst sogar einer der lokalen Wahlkreisbewerber von der Straßenlaterne herab, die sich genau gegenüber meines Schlafzimmers befindet. Das Plakat hängt so geschickt, dass es an Voyeurismus grenzt. Überhaupt fühlt man sich durch die mediale Präsenz der Kandidaten schon fast verfolgt. Frei nach dem Motto „Big Robert ist watching you“.
Mitten in dem Gefühl zwischen „es reicht“ und „einer geht noch“, fiel mein Blick gestern auf ein Wahlplakat der ganz anderen Art. Zwischen den um Aufmerksamkeit buhlenden Plakatierungen stach es hervor. Während die anderen einen regelrecht anschreien, verkündete es seine Botschaft, man kann fast sagen, seine Bitte, leise. Und doch eindringlich. Unwillkürlich suchte ich das Logo einer Partei am unteren Ende. Die Gestaltung war durch das Understatement so auffallend, dass ich einen Moment lang den geschickten Schachzug einer Werbeagentur dahinter vermutete. Immerhin war der Text fehlerlos – was bekanntlich in Zeiten der schnellen Kommunikation auf Social Media durchaus eine Besonderheit ist. Doch es blieb, wie es auf den ersten Blick schien: Ein Statement von Passanten, die vermutlich in der Dunkelheit die Gunst der Stunde – die leere Werbefläche – für ihre Zwecke genutzt hatten.
Ob ihre politische Botschaft zukunftsweisend ist – oder doch nur ein frommer Gedanke, beeinflusst durch die aktuelle Geisteshaltung in der Gesellschaft, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Wir leben in spannenden Zeiten.
Foto: Nicole Hein