Plötzlich ist es da: Das Ereignis, mit dem niemand ernsthaft gerechnet hatte.…
Jeder kennt Woodstock – und denkt sogleich an Love & Peace. Aber wer kennt schon Fehmarn? Dabei war die deutsche Ostseeinsel im September 1970 Austragungsort einer Art Woodstock-Festival im Kleinen. Es war zugleich der letzte Auftritt von Jimi Hendrix, der wenige Tage später in London starb.
Das Woodstock-Original fand Mitte August 1969 statt. Unter anderem traten Arlo Guthrie, Country Joe McDonald, Grateful Dead, The Who, Jefferson Airplane, Janis Joplin, CCR, Canned Head, Joe Cocker und Jimi Hendrix auf – so ziemlich alles, was in der Szene Rang und Namen hatte, war dabei. Woodstock gilt bis heute als das kulturelle Schlüsselerlebnis einer ganzen Generation – einer Generation, die man mit dem Hippie-Traum von freier Liebe, Absage an bürgerliche Konventionen, sanftem Drogenrausch und Öko-Pazifismus in Verbindung bringt. Zugleich aber war dieses Festival der Beginn einer gnadenlosen Kommerzialisierung dessen, was einige Jahr zuvor als Gegenkultur zur westlichen Industriegesellschaft begonnen hatte.
Chaos in Woodstock
Das Festival verlief recht chaotisch. Zum einen kamen wesentlich mehr Besucher als erwartet, zum anderen waren die Organisatoren heillos überfordert. Unwetter taten ein Übriges, um das Festival in einem Meer aus Schlamm, menschlichen Exkrementen und Müll versinken zu lassen. Das finanzielle Desaster, das sich zunächst für die Veranstalter abzeichnete, konnte im Nachhinein durch Film- und Musikrechte abgewendet werden. Der Film „Taking Woodstock“ aus dem Jahr 2009 vermittelt einen guten Eindruck des Geschehens.
Chaos auf Fehmarn: Abgesang auf Love & Peace
Das deutsche Miniatur-Woodstock fand vom 4. bis zum 6. September an Fehmarns Westküste statt. Die Kopie glich dem Original bis in die Details – vor allem, was das organisatorische Unvermögen, das ausgesprochen schlechte Wetter und die alle Erwartungen übertreffende Besucherzahl betraf. Anders als in Woodstock fehlte hier allerdings das finanzielle Happy End. Und während Woodstock noch den seligen Traum von Love & Peace träumte, sorgten auf Fehmarn über 100 aus Hamburg angereiste Rocker dafür, dass zumindest der Aspekt der Friedfertigkeit schnell in Vergessenheit geriet. Sie brachten sich ungefragt als Ordner ins Spiel – einer Aufgabe, der sie durchaus handgreiflich mit Eisenstangen und Ketten nachkamen.
Tod eines Stars: Ideale und Idole sterben
Jimi Hendrix, der auf beiden und so ziemlich allen anderen großen Festivals dazwischen gespielt hatte, absolvierte am 6. September 1970 auf Fehmarn seinen letzten öffentlichen Auftritt – ziemlich lustlos, unkonzentriert, unwillig und schon am Rande seiner Kräfte. Er starb am 18. September 1970 in London. Der Gedenkstein auf Fehmarn erinnert an ihn – aber auch an ein Festival, das das endgültige Scheitern der Vision von Love and Peace symbolhaft auf den Punkt brachte.
Wer sich für die Details des Fehmarn-Festivals interessiert, sei auf die kompakte Darstellung von Jürgen Rust verwiesen: Jimi Hendrix – der letzte Auftritt. Das Fehmarn-Festival 1979 (nur antiquarisch erhältlich). Viel Hintergründiges mit schönen Bildern finden sich auch hier: www.fehmarnfestival1970.com/
Verträgt Love & Peace sich womöglich nicht mit dem Wesen des Menschen? Ausführlich auf den schönen Traum vom gewaltfereien Leben bin ich im Heft 76 der Sezession eingegangen: www.sezession-76-februar-2017 oder als Einzelbeitrag hier: Lutz Meyer_ DerTraum vom gewaltfreien Leben
Foto: Lutz Meyer
Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
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Ist ja lustig, hier davon zu lesen 🙂 Ich bin ein Kind dieses Festivals, sogar ganz wortwörtlich. Meine Mutter behauptet, dass ich in dort der ersten Festivalnacht in einem Zelt am Rand der Zeltwiese gezeugt wurde – bei gräßlichen Wetter mit Regen und Sturm… Leider hat sie meinen Vater danach nie wiedergesehen, die hatten sich dort kennen gelernt und keine Adressen getauscht…
Danke für diese sehr persönliche Einlassung 🙂 Durchaus symptomatisch für die Zeit. Aber wer sonst kann schon von sich behaupten, ein wandelndes Festival-Souvenir zu sein? Und dann auch noch dieses Festivals! Gratuliere!