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Sprachverwirrung: Versteht das einer?

Sprachverwirrung bedeutet: Menschen haben keine gemeinsame Sprache, sie reden aneinander vorbei, sie verstehen einander nicht. Das aber führt zu fortlaufenden Missverständnissen und in der Folge womöglich zu katastrophalen Handlungen. Man kennt so etwas aus dem Beziehungsalltag ebenso wie aus der Weltpolitik. Doch wie kam es überhaupt dazu?

Babylonische Sprachverwirrung

Ob die Menschheit jemals eine gemeinsame Ursprache hatte, ist ungeklärt. Wahrscheinlicher ist, dass die Sprachen sich in unterschiedlichen Regionen weitgehend unabhängig voneinander entwickelten. Folgt man jedoch dem Alten Testament (1 Moses 11), gab es diese gemeinsame Ursprache sehr wohl. Dass die Menschen diese Ursprache verloren, lag an ihrem Größenwahn und Gottes Verdruss darüber. Hier der Wortlaut:

„1 Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. 2 Als sie nun von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst. 3 Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel 4 und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut über die ganze Erde. 5 Da fuhr der HERR hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten.6 Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. 7 Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! 8 So zerstreute sie der HERR von dort über die ganze Erde, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. 9 Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Welt Sprache und sie von dort zerstreut hat über die ganze Erde.“

Viele Sprachen, viele Einsichten

So also verlor die Menschheit ihre gemeinsame Ursprache. Es kam jedoch nicht zu einer absoluten Sprachlosigkeit, sondern im Gegenteil zu einer ganzen Vielfalt der Sprachen. Jedes Volk entwickelte seine besondere Sprache – die jeweilige Eigenart einer Sprache reflektiert vor allem die näheren Lebensumstände.

Diese Eigenarten bedingen nicht nur den Wortschatz einer Sprache, sondern auch deren Grammatik. Mit diesem sprachlichen Grundgerüst wiederum verfestigt sich das der Wahrnehmung – wahrgenommen wird, was sich sprachlich und gedanklich erfassen lässt. Ein Phänomen, für das es kein Wort gibt, entzieht sich weitgehend der Wahrnehmung, kann nicht benannt werden und hat damit keine Existenz: Kein Ding sei wo das Wort gebricht.

Doch fremde Sprachen lassen sich erlernen – und mit jeder Sprache, die man neu erlernt, erweitert sich nicht nur der Wortschatz, sondern auch die Fähigkeit, die Welt anders wahrzunehmen. Die babylonische Sprachverwirrung hatte also ihr Gutes.

Sprachverwirrung heute

Das heute weit verbreitete Phänomen des Einander-nicht-Verstehens beruht nicht darauf, dass die Menschen einander nicht verstehen wollen. Eher liegt es wohl daran, dass globale Eliten eine großangelegte Sprachverwirrung nach Orwellschem Muster betreiben: „Lüge ist Wahrheit! Krieg ist Frieden! Freiheit ist Sklaverei! Unwissenheit ist Stärke!“ Vertraute Begriffe werden umgedeutet, verlieren ihre Eindeutigkeit, werden mehrdeutig oder zwielichtig, verlieren ihre Verlässlichkeit, bringen Wahrnehmung und Denken durcheinander. Unsicherheit entsteht, die Menschen werden manipulierbar, lenkbar. Divide et impera halt. Die heutige Sprachverwirrung ist das Werk von Menschen, die glauben, über gottgleiche Macht zu verfügen. Doch auch dieser Turm wird einstürzen. Im Gebälk knirscht es schon vernehmlich.

 

Foto: Lutz Meyer

 

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.