Plötzlich ist es da: Das Ereignis, mit dem niemand ernsthaft gerechnet hatte…
Nebelhorn – ein vertrauter Klang aus Kindertagen, die ich an der Ostsee verbrachte. Weithin war an nebligen Tagen über die Neustädter Bucht das Tuten der Nebelhörner zu hören. Man fährt als Schiffsführer dann nicht auf Sicht, sondern nach Gehör. Selbst in Zeiten des Radars hat sich das Nebelhorn erhalten. Wahrscheinlich, weil nicht alle Schiffe über ein Radar verfügen.
Wohltuend verhüllender Nebel
Heute früh war ich noch vor dem Frühstück wieder mal an der Ems bei Gimbte unterwegs, fernab also der Meere und jeglichen Schiffsverkehrs. An der Ems hatte sich in der Morgendämmerung dichter Nebel gebildet. Ich sann gerade darüber nach, wie wohltuend das Unscharfe, Nebulöse auch im menschlichen Miteinander doch sein kann. Sprache muss eben nicht immer mit logischer Präzision Grenzen ziehen, muss nicht immer mit kristalliner Klarheit die Dinge ins unbarmherzige Licht der Rationalität zerren. Sprache darf auch einfach mal durch gezielten Mangel an Präzision Räume ins Unbestimmte öffnen und weiten. Dann eröffnen sich Spielräume, die eine begrifflich scharfe und schneidende Sprache eher vermeiden möchte: Spielräume für Intuition, Phantasie, Irrationales und natürlich auch für Handlungen. Dass diese dann nicht immer vernünftig sind, versteht sich von selbst. So schritt ich durch den Nebel dahin, als jäh das Tuten eines Nebelhorns mich aus den Gedanken riss.
Nebelhorn der anderen Art
Ich war tatsächlich irritiert – hier ist die Ems allenfalls für Paddelboote oder Kanus schiffbar, und die kommen gemeinhin ohne Nebelhorn aus. Sollte ich – ganz in Gedanken – einige Hundert Kilometer weiter gegangen sein als beabsichtigt und mich mittlerweile in Küstennähe befinden? Blödsinn.
Da ertönte das Nebelhorn erneut, dieses Mal aus kürzerer Entfernung. Als Steuermann wäre ich nun in höchster Anspannung gewesen, denn offensichtlich befand ich mich auf Kollisionskurs mit etwas, was sich vor mir im tiefen Nebel verbarg.
Jetzt ertönte das Nebelhorn zum dritten Mal. Und aus dem Nebel trat mir langsam eine muhende Kuh entgegen. Ein Nebelhornvieh sozusagen.
Fotos: Lutz Meyer