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Mühlen - hier die Wassermühle Nettetal im Osnabrücker Land

Mühlen waren im Volksglauben seit je her als Orte des Unheimlichen verschrien, an denen es spukte, Geister, Hexen und Teufel ihr Unwesen trieben. Ganz gleich, ob Wind- oder Wassermühle: Müller galten als unehrlich. Mühlen hatten ihren Platz immer außerhalb des Ortes, sie lagen abseits – und wurden vielleicht deshalb als Ort mystischer und auch erotischer Bedeutung angesehen, ein Ort für Liebesabenteuer, an dem uneheliche Geburten öfter vorkamen als an anderen Orten. Die schöne Müllerin als Ehebrecherin ist legendär. Woher der zweifelhafte Ruf der Mühlen?

Mühlen: Wind und Wasser

Wind und Wasser sind die Elemente, die man sich in alten Zeiten auch gern als Elementargeister vorstellte – als Wesen aus einer anderen Welt, die der Mensch für seine Zwecke einspannte. Und wer lässt sich schon gern einspannen, ohne einen Lohn zu fordern? Nutzt der Mensch Wind- und Wasserkraft, um Getreide zu mahlen, schuldet er den Elementargeistern etwas.

Waren die Elementargeister im heidnischen Glauben weder gut noch böse, sondern einfach ein Bestandteil der Welt, wurden sie im christlichen Glauben als Mächte des Bösen angesehen, die mit dem Teufel und allerlei Hexenwerk im Bunde stehen: Der Müller schuldete dem Teufel etwas dafür, dass dieser das Wasser auf die Mühlräder fließen und den Wind in die Flügel blasen ließ. Und was schuldet man im Gegenzug dem Teufel? Richtig, seine Seele. Der Müller war also mit dem Teufel im Bunde. Deshalb hielt sich auch der Glaube hartnäckig, dass kein Müller in den Himmel kommt.

Dass der Müller als unehrlich galt, hatte wahrscheinlich ganz handfeste Gründe: Mancher Bauer glaubte sich vom Müller betrogen, wenn seine Ernte, nachdem sie durch die Mühlsteine des Müllers gegangen war, weniger hergab, als er gedacht hatte. Der Mühlenzwang wird ebenfalls eine Rolle gespielt haben für das schlechte Image des Müllers.

Die Mühlen am Wasser

Als besonders unheimlich wurden Wassermühlen angesehen (Otfried Preußler hat in seiner Bearbeitung der Krabat-Sage Zeugnis abgelegt). Im stillen, dunklen Wasser des aufgestauten Mühlteichs mochten unheimliche Dinge vor sich gehen. Stille Wasser sind bekanntlich tief und was in dunkler Tiefe wohnt, scheut das Tageslicht. Dort wohnen Wassergeister wie der Nix oder der Neck. Da es in ihrer Macht steht, den Zufluss des Wassers auf die Mühlräder zu behindern, tut der Müller gut daran, sich gut mit ihnen zu stellen. Oft lässt der Wassergeist sich aber durch vom Müller spendiertes Bier, Branntwein, Brot und Grütze bestechen.

Dem Wasser, das vom Mühlrad springt, wurde früher übrigens Heil-, wenn nicht gar Zauberkraft zugeschrieben. Wer diesem Wasser einige zauberkräftige Kräuter beigab und darin badete, war vor Krankheit und Schadzauber geschützt.

Heute sind die letzten noch existierenden Wassermühlen ein touristischer Anziehungspunkt wie die im Bild zu sehende Wassermühle Nettetal im Osnabrücker Land. Manche Wassermühle wurde auch für Wohnzwecke umgebaut. Getreide gemahlen wird in Wassermühlen heute allenfalls zu Anschauungszwecken. Kaum einer der Heutigen ahnt etwas vom ehedem zweifelhaften Ruf des Ortes.

Das Dämonische ist in unseren Tagen längst auf einen anderen Mühlentypus übergegangen, der aus Wind elektrische Energie erzeugt. Von diesen Windkraftanlagen geht etwas Unheilvolles aus, nichts Heilendes. Kaum jemand sieht das Zerstörerische ihres Wirkens. Doch käme ganz gewiss niemand auf den Gedanken, in ihrem Schatten romantische Abenteuer zu suchen.

Foto: Lutz Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.