Dem Hahn wurden in alten Zeiten prophetische Kräfte zugeschrieben. Mit einem ironischen…
Lebende Antennen sind wir – ständig empfangen wir Signale oder senden welche. Dass wir uns dessen nicht immer bewusst sind, ändert nichts an der Tatsache.
Die Welt ist voller Antennen
Wir senden unentwegt sprachliche Signale und empfangen welche. Doch ein Großteil aller Signale ist nicht-sprachlich: Mimik, Gestik, Töne, Farben, Duftstoffe senden ebenfalls Botschaften. Und nicht nur Menschen senden Botschaften – auch Tiere, Pflanzen, Pilze, Mineralien, Landschaften und Himmelskörper. Die Fühler eines Käfers sind Antennen, ständig auf Sendung und Empfang. Das Universum lebt, indem es sendet und empfängt.
Doch sind auch wir als Individuen immer auf Empfang? Die meisten Menschen verstehen nur sehr grobe Signale – im Straßenverkehr, in der alltäglichen Kommunikation, als Konsument von Radio, TV und Internet. Sie haben es verlernt, auf die feineren Signale zu achten.
Nun gibt es freilich Möglichkeiten, sich wieder empfangsbereit zu machen. Schließlich ist unser Körper ein einzigartiges Sende- und Empfangsmodul: Jedes Sinnesorgan, jeder Quadratzentimeter Haut, jedes Haar ist eine Antenne, jedes Molekül in uns ebenso und jeder Schädelknochen. Wir sehen, wir hören, wir tasten, wir schmecken und wir fühlen. Unser Fühlen – auch das des Herzens – erreicht Dimensionen, die nicht einmal die Götter erreichen. Das meinte Hölderlin, als er schrieb:
Denn nicht vermögen
Die Himmlischen alles. Nämlich es reichen
Die Sterblichen eh an den Abgrund. Also wendet es sich, das Echo,
Mit diesen. Lang ist
Die Zeit, es ereignet sich aber
Das Wahre.
Antenne sein
Man mag das ganze Geschehen auf die naturwissenschaftliche Ebene herunterbrechen – also auf die jederzeit vermessbare und berechenbare Ebene der Hormone, der Frequenzen, der Chemie und Biochemie des Lebens. Doch wer meint, alles erklären und rationalisieren zu müssen, hat den Blick für das Wesentliche verloren: Das große Wunder allumfassenden Mitteilens.
Einen Eindruck davon, wie und was das Allumfassende sendet, bekommen wir in seelischen Ausnahmezuständen. Im Zustand totaler Übermüdung etwa beginnen wir unterschwellig Dinge wahrzunehmen, die wir sonst nicht wahrnehmen. Fallen wir in den Schlaf, kommen die Träume. Sie bringen etwas in uns zum Schwingen und Klingen, von dessen Existenz wir nicht einmal etwas ahnten – das sind die Träume, aus denen man mit einem tiefen Glücksgefühl erwacht.
Ähnlich ist es bei großen Gefühlen wie der Liebe zu einem anderen Menschen – wir nehmen eine Dimension an ihm wahr, die diesem Menschen vielleicht selbst nicht einmal bewusst ist. Auch hier kommt etwas ins Schwingen und Klingen. Oder in Momenten großer Gefahr, wenn das Leben am seidenen Faden hängt und wir uns dessen bewusst werden. Wir empfangen eine Botschaft des Schreckens – die Haare stehen uns zu Berge. Dann öffnen sich Ebenen der Wahrnehmung, die sonst verschlossen sind. Wir sind auf den großen Schlüssel gestimmt, die Melodie des Lebens.
Ahnungen und Annäherungen
Auch die Droge öffnet Bewusstseinsebenen, die uns sonst verschlossen sind. Das beginnt bei profanen Substanzen wie dem Alkohol – das Doppeltsehen, der Schwindel, das Angeheitertsein sind nur erste Ahnungen, von dem, was möglich ist. Der Weingeist nimmt uns an die Hand und führt uns über die Schwelle.
Andere Substanzen vermögen weitaus mehr, wie Terence McKenna in seinem Buch „Wahre Halluzinationen“ eindrucksvoll schildert. Die Substanz selbst, wie etwa das Psilocybin, wird zu einer superleitenden Antenne, über die wir mit unserer Umgebung in eine tiefe Verbindung treten, bis wir eins mit ihr werden. Lässt der Rausch nach, individualisieren wir uns wieder, lösen uns aus der Verbindung, kehren jedoch meist verändert zurück. Ernst Jüngers „Annäherungen“ geben über solche Begegnungen ebenfalls Auskunft. Und auch Wolf-Dieter Storls Begegnungen mit Pflanzen-Devas vermitteln einen guten Eindruck von der Begegnung mit Signalen aus einer nur scheinbar anderen und fremden Welt. Sie ist nicht fremd – sie ist immer da und wir können sie jederzeit erreichen. In uns.
Foto: Lutz Meyer