Dem Hahn wurden in alten Zeiten prophetische Kräfte zugeschrieben. Mit einem ironischen…
Zum Text „Sprache unter Beschuss“ erreichten mich ein paar Nachfragen, wie man sich denn die sprachliche Gegenwehr nach „Guerilla-Art“ vorzustellen habe. Guerilla- bzw. Partisanen-Taktik zeichnet sich u. a. durch flexibles Agieren aus dem Hinterhalt aus. Gehen wir die vier von mir benannten Attacken auf Sprache und Denken kurz durch.
Auslachen statt diskutieren
Ideologische Angriffe (Genderisierung der Sprache, Verwendung bizarrer Ersatzbegriffe, Verbot bestimmter Begrifflichkeiten oder Denkmuster usw.) lassen sich sowohl durch Igonaranz als auch durch Hohn und Spott abwehren. Gerade das Letztgenannte – also das erbarmungslose Gelächter über die Missgeburten der Gendersprache oder das spießig-krampfhafte Vermeiden und Umschreiben missliebiger Ausdrücke – erweist sich als wirkungsvoll. Zumal Gelächter, wenn es aus tiefster Seele kommt, außerordentlich ansteckend und tödlich ist.
Ein spezielles Mittel zur Auslösung von Gelächter ist übrigens die Übertreibung: Man gendert beispielsweise dermaßen exzessiv, dass der Sinn der Mitteilung kaum noch zu erfassen ist – und führt das Ganze ad absurdum, schlägt das System mit dessen eigenen Waffen. Kein probates Mittel hingegen ist der Versuch einer Diskussion – Argumente fruchten bei Ideologen nicht, man lässt sich nur auf kraft- und zeitraubende Scharmützel ein.
Den unbequemeren Weg gehen
Zur Abwehr der Angriff durch künstliche Intelligenz: Die derzeitigen Angebote zur Nutzung künstlichen Intelligenz zielen vor allem auf Zeitersparnis und Bequemlichkeit ab. Man überlässt der Maschine der Arbeit, verliert dadurch Fähigkeiten und Fertigkeiten und macht sich selbst am Ende überflüssig. Hier ist vor allem die Verweigerung ein Mittel der Abwehr: Man schreibt selbst, denkt selbst nach. Man weist die vergifteten Pralinen zurück und verzehrt stattdessen lieber einen Apfel oder eine Scheibe trockenes Brot. So bekommen die Zähne und die Kaumuskeln zu tun.
Gegen die scheinbar verlockenden Angebote der KI wehrt man sich also am besten durch Ignoranz und Verachtung jeder Bequemlichkeit. Überhaupt fährt man gut, wenn man Bequemlichkeiten nach Möglichkeit vermeidet. Denn die führen fast immer zu Schwächung und Kompetenzverlust.
Das gilt auch für andere Lebensbereiche: Es ist bequemer, sein Brot beim Bäcker zu kaufen. Doch wer selbst backt, versteht nicht nur das Lebensmittel Brot besser und ist im Notfall nicht auf Bäckereien und Supermärkte angewiesen, sondern vermeidet auch die Vergiftung durch unerwünschte Zusätze. Ähnlich verhält es sich mit anderen Bestandteilen unserer Nahrung, die man selbst anbauen, sammeln, jagen oder fischen kann. So verhindert man auch eine Abhängigkeit von staatlicher Zuteilung.
Den Horizont erweitern
Zur Abwehr der Angriffe auf Bildung und kulturelles Gedächtnis: Ein Mensch ohne Bildung und ohne kulturelles Gedächtnis ist ein Mensch ohne Identität. Menschen ohne Identität der Herkunft oder des Glaubens sind aber genau das, was das verzweifelt ums Überleben kämpfende Globalisierungsprojekt am dringendsten benötigt: Konsumenten, Arbeitskräfte, Funktionäre und Wähler, die nicht einmal ansatzweise in der Lage sind, das Geschehen um sie herum begrifflich zu fassen und denkerisch zu durchdringen.
Auch hier verspricht der unbequeme Weg reichen Gewinn: Wer sich Bildung aneignet – also echte klassische Bildung und nicht den Müll, den das heutige Bildungssystem als Bildung-to-go für jedermann verkauft – wird nicht so leicht zum Opfer derer werden, die ihn nach Belieben für ihre Zwecke einsetzen und ausnutzen möchten.
Natürlich geht es nicht nur darum, Bildungsgüter besinnungslos anzuhäufen – man muss das erworbene Wissen als Werkzeug oder als Waffe zielgerichtet einsetzen können. Oder es als Humus ansehen, in dem eigene Gedanken sich kraftvoll einwurzeln können. Wichtig ist auch die subversive Weitergabe in privat organisierten Zirkeln, also jenseits staatlicher Schulen und Universitäten.
Den Austausch im nichtdigitalen Raum suchen
Zur Abwehr des Angriffs auf den natürlichen Drang zur Aktivität: Viele Menschen sind süchtig nach dem Unterhaltenwerden. Das aber – ganz gleich, ob es via TV und Radio, via Printprodukt oder Internet offeriert wird – lähmt die Aktivität, benebelt die Sinne und den Verstand, verdrängt Probleme, erstickt aufkeimenden Widerstand. Hier sollte man alle Angebote konsequent zurückweisen – und an die Stelle des passiven Unterhaltenwerdens die aktive Unterhaltung mit anderen Menschen setzen. Also das absolute Gegenteil von „Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen“.
Das Gespräch mit anderen Menschen als Gedankenaustausch erweitert den Horizont, erhellt die Wahrnehmung, schärft das Bewusstsein für Missstände, leitet womöglich zu subversiven Aktionen an. Betrachtet man die Corona-Jahre als eine Art Testlauf für ein totalitäres System der nahen Zukunft, wird auch klar, warum man zeitweise die Zusammenkunft von Menschen unterbinden wollte bzw. auf den digitalen Raum beschränkte: der digitale Raum und das, was in ihm geschieht, ist bedeutend einfacher zu überwachen.
Natürlich kann man sich nirgendwo sicher sein, dass niemand mithört – vor allem, solange Alexa oder Siri mit dabei sind. Deshalb ist es sinnvoll, sprachliche Kreativität entwickeln: Tarnnamen statt Klarnamen, metaphorische Umschreibungen statt klarer Benennungen, Tatsachenberichte im Gewand historischer oder mythologischer Erzählungen. In Ernst Jüngers „Waldgang“ wird der simple Buchstabe W zur Chiffre für den Waldgang als Widerstand. Ein einziger Buchstabe sagt und trägt in diesem Fall alles. Der Phantasie sind keine Grenze gesetzt.
Foto: Lutz Meyer
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