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Gurkemaus

Schon Fred Feuerstein besaß einen Fernseher. Die Beine bestanden aus Ästen, die Antenne aus einem Geweih und der Bildschirm war ein grob gehauener Steinklotz. Ganz so wie es sich für die steinzeitliche Familie „The Flintstones“ in der Zeichentrickserie aus den 1960er Jahren gehörte. Heute sind wir wesentlich weiter als Fred Feuerstein. Wir konsumieren nicht mehr nur leidenschaftlich, sondern produzieren mit Begeisterung Filmclips. Youtuber zu werden, ist bei vielen Teenies ein beliebter Berufswunsch.
Ich muss gestehen, ich bin lieber hinter als vor der Kamera. Unabhängig davon, ob es sich um Fotos handelt oder gleich einen ganzen Filmbeitrag. Meinem Teenager-Sohn geht es übrigens genauso. Es ist also nicht nur eine Generationsfrage, sondern eher eine der Mentalität. Doch in Zeiten, in denen der Brücklockdown den Wellenbrecherlockdown jagt, verlagert sich das Leben immer mehr ins Virtuelle. Schulungen mutieren in der Not zu Schulungs-Clips, Autorenlesungen zu Livestream-Lesungen. Als Autor schaut man nicht mehr seinem Leser in die Augen, sondern in die Kameralinse.

Lesen mit Kindern

Ich finde das schade, denn vor einer Gruppe Schulkinder zu sitzen und zu sehen, wie sie gebannt der Erzählung lauschen, macht einfach Freude. Doch eine Lesung ist besser als keine Lesung. Außerdem hat die virtuelle Variante auch Vorteile: Man kann die Lesung anhalten, abspielen wann immer man möchte oder in 1,5-facher Geschwindigkeit laufen lassen. Letzteres macht mein Teenager-Sohn grundsätzlich bei allen Videos, die für die Schule sind.

Der größte Wunsch der Gurkenmaus

Wäre Familie Feuerstein eine aktuelle Serie, dann würde Fred vermutlich begeistert Selfies von sich drehen und sie in einer steinzeitlichen Variante von Youtube oder TikTok hochladen. Bei so vielen guten Argumenten fehlen mir die Argumente, mich weiter zu zieren. Obwohl es mir anfangs schwer fiel, bin ich inzwischen über den sprichwörtlichen Schatten gesprungen und habe die ersten Clips mit mir als Autorin abgedreht. Und siehe da: Es tat gar nicht weh und war einfacher als gedacht. Allerdings sind die Beiträge noch nicht online. Bis es soweit ist, könnt ihr euch trotzdem schon eine Lesung mit einer Geschichte aus meinem Buch „Einfach schöne Vorlesegeschichten“ anschauen. Vorleser ist Andreas Winter vom Harderstar Verlag, in dem der Geschichtenband erschienen ist. Ich wünsche viel Spaß mit der Erzählung „Der größte Wunsch der Gurkenmaus“ – und bin mir sicher, Fred Feuerstein würde gebannt vor seinem Steinklotz-Bildschirm sitzen.

Illustration: Jörg Hein

 

Nicole Hein ist freie Journalistin und Autorin mit den Schwerpunkten Gesundheit, Steuern, Lebensart & Wohnen.

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