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Die Axt im Haus erspart, so der Volksmund, den Zimmermann. Eine ganz andere Axt, die zu nutzen privaten Haushalten neuerdings von offizieller Seite empfohlen wird, soll den Behörden Arbeit ersparen. Und ganz nebenbei Misstrauen im beruflichen und privaten Umfeld säen. Die Rede ist von den sogenannten Meldestellen für Fehlverhalten. Diese Meldestellen nehmen nicht etwa strafbare Äußerungen entgegen, sondern ausdrücklich solche unterhalb der Strafbarkeitsschwelle. Der Staat möchte, so der Gedanke, frühzeitig gegensteuern, wenn irgendwer irgendwo irgendwas sagt, was offiziellen Narrativen zuwiderläuft oder ihnen gar offen widerspricht.

Ein vergiftetes Angebot

Eine sehr spezielle Meldestelle, abrufbar unter entschwoert.de (gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), richtet sich gezielt an Menschen, die von Verwandten mit anderer Meinung genervt sind. Diese Seite kommt als freundlicher Problemlöser auf Samtpfoten daher. Man möchte Unterstützung bieten “bei Problemen mit einer Person aus dem persönlichen Umfeld, die an Verschwörungserzählungen glaubt.” Es wird angeboten, “gemeinsam Handlungsmöglichkeiten im alltäglichen Umgang in diesem Konflikt” zu erarbeiten. So helfe man Betroffenen, ihre “Beziehung zu stärken, um den Kontakt aufrecht zu erhalten.“ Klingt erstmal sehr bemüht und irgendwie nett, oder?

Misstrauen in der Familie säen

Dahinter steht nichts anderes als die Aufforderung, Mama, Papa, Tante, Onkel, Oma und Opa und vielleicht auch Geschwister zu denunzieren. Zwar wählt die Seite die Anrede „Sie“, richtet sich also entsprechend den sprachlichen Gepflogenheiten an Erwachsene. Es gehört jedoch nur wenig Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass auch minderjährige Familienmitglieder animiert werden sollen, Fehlverhalten ihrer Anverwandten zu melden.

Vorbilder für staatlich gefördertes kindliches Denunziantentum gibt‘s in der jüngeren Menschheitsgeschichte reichlich: Man findet es u.a. in den Zeiten der französischen Revolution, im China Maos zu Zeiten der Kulturrevolution, im Deutschland zu Zeiten der Hexenverfolgung, im Stalinismus, im Nationalsozialismus, in der DDR wie auch im münsterschen Wiedertäuferreich und natürlich in Nordkorea. Kurzum: Überall dort, wo ein Klima der Unfreiheit herrscht. In einem solchen Klima gedeihen Angst vor den Nächsten, Entfremdung, Unfrieden und Misstrauen. Die eingangs erwähnte Axt wird zur Spaltaxt. Spaltung ist das Ziel. Divide et impera.

Es scheint so, als würden wir gerade eine Zeitenwende erleben.

Foto: Lutz Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.