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Wenn ausgerechnet ein Linksintellektueller von Format vor dem Antifaschismus warnt, ist das, was daraus folgt, immer mehr als nur ein Politikum. Es ist etwas zutiefst Menschliches: Die einen wollen es nicht wahrhaben, die anderen nutzen es weidlich aus.

Der Stein des Anstoßes

Die Rede ist vom dem berüchtigten Verdikt Ignazio Silones: „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: «Ich bin der Faschismus». Nein, er wird sagen: «Ich bin der Antifaschismus».”

Seit einigen Jahren wird dieses Satz von den einen gern zitiert, von den anderen ebenso gern relativiert. Linke unterstellen gern, dass dieser Satz dem italienischen Schriftsteller nur untergeschoben wurde. Oder wenn schon nicht untergeschoben, dann doch gröblich missverstanden und nicht im Kontext interpretiert. Überliefert wurde dieser Satz von einem langjährigen Freund Silones, dem Schweizer Essayisten, Literaturkritiker und Journalisten François Bondy. Zu finden ist das Zitat in Bondys Buch „Pfade der Neugier“. Bekräftigt hat Bondy die Inhaltsschwere von Silone Aussage mit den Worten: „Viele Jahre später, als «Antifaschismus» in der Tat instrumentalisiert wurde und zu einem Slogan herunterkam, verstand ich, dass dieses kaustische Aperçu prophetisch war.“

Was heißt schon Kontext, wenn es doch wahr ist

Ob ein solches Wort wie das Silones nun im Sinne der Werkgerechtigkeit richtig interpretiert wurde oder nicht, ist letztlich sogar wurscht. Die Zeiten ändern sich halt, und manches Zitat offenbart seinen wahren Kern erst Jahrzehnte später. Und im Hier und Jetzt passt es halt wie die Faust aufs Auge: Diejenigen, die sich heute am lautesten als Antifaschisten gerieren, tragen leider sehr deutlich faschistoide Züge.

Ein aufrechter Linker

Eigentliches Ärgernis für heutige Linke: Silone ist als aufrechter und authentischer Linker zu würdigen. Nachdem er den Stalinismus gründlich kennengelernt hatte, erteilte er ihm eine klare Absage. Trotzdem (oder gerade deshalb?) blieb Ignazio Silone zeitlebens ein Linker. Vielleicht fehlt es heute einfach nur an solchen aufrechten Linken?

Zitiert wird auch sonst gern oft und oft tatsächlich falsch. Wer Spaß daran hat, falsche Zitate von echten zu scheiden, wird beispielsweise auf dieser Seite fündig werden. Heiteres “Falschzitate enttarnen” eignet sich übrigens wunderbar für ein Gesellschaftsspiel unter Freunden.

Foto: Lutz Meyer

 

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.