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Bahn

Wer eine Reise tut, der kann was erzählen. Allerdings dürfte das derzeit in Deutschlands Zügen eher wenig Gutes sein. Als Studentin bin ich ausschließlich mit der Bahn gefahren, danach weniger und während der Corona-Pandemie überhaupt nicht mehr. Nun bin ich beruflich bedingt innerhalb weniger Wochen zwei Mal mit der Deutschen Bahn unterwegs gewesen. Beide Fahrten waren im Fern- und Nahverkehr. Das, was ich erlebt habe, kenne ich von früher nur als Ausnahmezustand, wenn sich beispielsweise Eis und Schnee über einen Streckenabschnitt gelegt hatten oder ein Unfall auf einer Strecke passiert war.

Heutzutage braucht es diese großen unvorhersehbaren Ereignisse offenbar nicht mehr, um die Fahrpläne komplett durcheinander zu wirbeln. Verspätungen von mehr als 60 Minuten scheinen normal zu sein, Zugausfälle an der Tagesordnung. So normal, dass Bahnangestellte durch die Züge gehen und steingraue Geld-Rückforderungsbriefe lächelnd auf eine Art und Weise anbieten, wie bei einem Feuerwehrfest farbenfrohe Luftballons an Kinder verschenkt werden.

Der Platz auf dem Boden: kostengünstig ohne Sitzplatzreservierung

Die Bahnangestellte mit ihren Briefen war auch die einzige bei der Bahn angestellte Person, die mir über Stunden hinweg in den Zügen begegnet ist. Ich erinnere mich an Fahrten, wo ich mehrmals aus meinem Buch gerissen wurde, nur um zu antworten „Nein, ich bin nicht zugestiegen. Meine Fahrkarte wurde bereits kontrolliert.“ Oder wo ich wegen Personalwechsels gefühlt alle 30 Minuten meine Fahrkarte aus meinem Portemonnaie zerren musste. Fast wünsche ich mir diese Zeiten zurück, war dann immerhin jemand da, der sagen konnte, ob Anschlusszüge noch erreicht werden würden. Aber jetzt gibt es stattdessen die Bahn-APP, wo Fahrgäste sich selbst per kostenlosem – aber nicht unbedingt reibungslos funktionierendem – WLAN selbst darüber informieren können, dass ihnen der nächste Zug trotz einer Umsteigezeit von 25 Minuten vor der Nase weggefahren ist. Beinahe drängt sich da der Verdacht auf, dass sich die Bahnangestellten extra nicht blicken lassen.

Verständlicherweise, immerhin kommen sie sowieso kaum durch, da sie aufpassen müssen, nicht auf Fahrgäste zu treten, die auf dem Fußboden hocken, weil sie keinen freien Sitzplatz mehr ergattern konnten. Da kann man vieles nur noch mit Humor nehmen, wie das eine Lokführerin im ICE nach Berlin machte, als sie mit einem leisen Lachen in der Stimme verkündete: „Wir entschuldigen uns dafür, dass Ihnen das Bordbistro derzeit nicht zur Verfügung steht. Wenn in Hannover Personal zusteigt, werden wir es wieder für sie öffnen können. Allerdings wissen wir noch nicht, ob wirklich welches zusteigt.“

Foto: Nicole Hein

Nicole Hein ist freie Journalistin und Autorin mit den Schwerpunkten Gesundheit, Steuern, Lebensart & Wohnen.

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