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Kein Bier für Nazis - und Kuchen auch nicht

Kein Bier für Nazis, keine Bratwurst für Nazis, keinen Kuchen für Nazis: Launige Hinweistafeln wie die oben abgebildete findet man heute an vielen Orten: auf Volksfesten, in Hofcafés, an Bierausschankstellen. Die Botschaft: Hier zeigt man Haltung, hier geht die korrekte Gesinnung über den kaufmännischen Gewinn.

Die Gesinnung der Kundschaft

Das hübsche Schildchen „Kein Kuchen für Nazis“ entdeckten wir 2024 im Hofcafé Albertsdorf auf Fehmarn – man bekommt dort übrigens Brot und Kuchen von vorzüglicher Qualität. Aber eben nur, solange man kein Nazi ist. Bei unseren bisherigen Besuchen  wurden wir noch nie einer Gesinnungsprüfung unterzogen, was möglicherweise an unserem wenig martialischen Äußeren und stets freundlichem Auftreten gelegen hat. Auch waren wir höflich genug, die Betreiber des Cafés nicht auf den kleinen Fehler in der Aussage hinzuweisen. Es muss heißen: „Keinen Kuchen für Nazis“, nicht „Kein Kuchen für Nazis“ („Kein Bier für Nazis“ hingegen wäre korrekt).

Vielleicht nimmt man es im besagten Hofcafé auch nicht allzu genau mit alledem, denn immerhin hängt das Schild so, dass man es erst beim Verlassen der Lokalität bemerkt, also nach vollzogenem Kuchenkauf. Da mag also der Nazi, wenn er mit seinem Kuchen davonschleicht, sich auch noch ins Fäustchen lachen: Ätsch, reingelegt!

Zwar fühle ich mich durchaus nicht als Nazi, aber dennoch juckt es mich bei jedem Besuch, das Personal auf das Schild anzusprechen: „Was bitteschön könnte ich als potenzieller Nazi denn sonst noch bei Ihnen bekommen, wenn Sie mir schon den Kuchen verweigern? Eventuell ein Brot?“

Die Gesinnung der Betreiber

Nun mag es müßig sein, sich über derlei Flachsinn überhaupt Gedanken zu machen. Doch tritt hier etwas zu Tage, das man unbedingt ernst nehmen sollte. Wer als Gewerbetreibender ein solches Schild raushängt und Falschmeinende ausgrenzt, weist eine bedenkliche Persönlichkeitsstruktur auf: die des Untertanen. Der Untertan fühlt sich am wohlsten, wenn er seine Zugehörigkeit zur gerade tonangebenden Gruppe unter Beweis stellen kann.

Wer heute Nazis (wen oder was auch immer man sich darunter vorstellt) keinen Kuchen verkaufen möchte und wacker den „Kampf gegen Rechts“ mitkämpft, hatte vermutlich während der Corona-Zeit auch kein Problem damit, im „Kampf gegen das Virus“ Ungeimpften die Tür zu weisen. Man hängt sein Mäntelchen eben allzeit nach dem Wind, erhofft sich Vorteile davon, auf den Wellen der herrschenden Moral zu surfen: Ein Schulterklopfen hier, eine Umsatzsteigerung dort. Solches Mittun „Kampf“ zu nennen, ist allerdings völlig verfehlt, es ist anstrengungsloses, ungefährliches Mitsingen oder Mitsäuseln verordneter Gesinnungslyrik. Aber es verspricht einen leicht einzufahrenden Moralbonus. Doch sollten die Zeiten sich einmal ändern (und sie werden sich ändern, denn das tun die Zeiten immer), passt man seine Gesinnung, seine Moral, seine „Haltung“ höchst elastisch dem dann wehenden Zeitgeist an.

Die da ihren Opportunismus pflegen, sind rückgratlose Zeitgeistschleimer, die immer bemüht sind, nirgendwo anzuecken. Wollte man ihnen einen namensgebenden Typus zuweisen, wäre es Moralelastix – so der Name eines mit den Römern paktierenden gallischen Häuptlings in „Asterix und der Kupferkessel“. Zu Gast im „Hofcafé Moralelastix“? Irgendwie freu ich mich schon auf den nächsten Besuch dort. Brot und Kuchen sind wie gesagt ganz ausgezeichnet. Und vielleicht hak ich ja doch mal nach. Aber erst nach dem Einkauf. Und nur, wenn gerade genügend Publikum anwesend ist.

Foto: Lutz Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.