Unter den Elementen scheint mir das Wasser die höchste erotische Potenz zu…

Kürzlich war ich mal wieder in Münsters Rieselfeldern unterwegs. Von einem Beobachtungsstand aus sah ich Schwänen, Enten, Gänsen und Blesshühnern zu, wie sie im milden Licht der Abendsonne bei noch sommerlichen Temperaturen auf dem Wasser schaukelten. Libellen zirkelten über ihnen ihre akrobatischen Figuren durch die Luft, eine friedvolle Stimmung, auch Freude war zu spüren. Ich überlegte, ob die Tiere die Situation wohl ebenso genossen wie ich. Empfanden auch sie Behagen, Freude?
Was ist Freude?
Freude ist ein Gemütszustand, ein Gefühl, ein Wohlbefinden, das als Reaktion auf etwas entsteht, das wir als angenehm empfinden. Freuen sich Menschen, tun sie dies durch ein Lächeln oder Lachen kund. Der Ausdruck von Freude wurde seit jeher kulturübergreifend verstanden: Ein Mensch mag mir noch so fremd sein, freut er sich, erfasse ich es anhand seiner Mimik im Bruchteil einer Sekunde.
Nun kann man aber Enten, Schwäne, Gänse und Blässhühner weder lächeln noch lachen sehen. Dennoch scheint sich mir beim Betrachten der Vögel etwas mitzuteilen, was der menschlichen Freude nahekommt. Man spürt sie einfach. Doch wie?
Was man über Elritzen wissen kann
In den Reden und Gleichnissen des Tschuang-Tse gibt es einen kurzen Text mit dem Titel „Die Freude der Fische“. Darin wird berichtet, dass Tschuang-Tse eines Tages in Begleitung eines anderen Weisen auf einer Brücke stand und dem Spiel der Fische im Fluss zusah.
Tschuang-Tse sprach: „Sieh, wie die Elritzen umherschnellen. Das ist die Freude der Fische!“ Sein Begleiter antwortete, dass Tschuang-Tse kein Fisch sei und daher unmöglich wissen könne, worin die Freude der Fische bestehe. Tschuang-Tse entgegnete, dass er zwar kein Fisch sei, aus seiner eigenen Freude über dem Wasser aber wissen könne, worin die Freude der Fische im Wasser besteht.
Eine in jeder Hinsicht bemerkenswerte Antwort. Zum einen erklärt sie Freude zum Gemeingut aller Lebewesen. Zum anderen deutet sie an, dass ein artenübergreifendes Verstehen dieses Zusammenhangs möglich ist.
Liegt da was in der Luft?
Wenn ich Freude erkenne, ist dies kein bloß subjektives Geschehen. Ich lege die Freude auch nicht in mein menschliches oder tierisches Gegenüber hinein. Freude ist vielleicht als eine Art Kraftfeld vorzustellen, an dem Lebewesen – auch Pflanzen und ganze Landschaften mit allem, was in ihnen lebt – teilhaben. Diese Teilhabe ermöglicht auch ein Verstehen.
Freudiges Wohlbefinden bei nichtmenschlichen Lebewesen teilt sich nicht durch Lächeln oder Lachen mit, aber durch Körperhaltung, durch die Laute, die sie von sich geben, durch die Art, in der sie sich bewegen. Die Freude eines Apfelbaumes könnte sich dadurch mitteilen, wie seine Zweige sich im Wind bewegen, wie Regen- oder Tautropfen auf seinen Blättern in der Morgensonne funkeln. Oder im strahlenden Leuchten seiner Äpfel.
Wenn nun aber ich artübergreifend die Freude eines anderen Lebewesens erkenne – liegt es nicht nahe, dass auch ein Tier oder eine Pflanze erkennen kann, wenn ich mich freue? Und kann der frohe Gemütszustand nicht gleichsam von Lebewesen zu Lebewesen überspringen?
Läge es außerdem nicht ebenfalls nahe, dass dies auch für andere Gemütszustande gilt? Gehe ich in gedrückter Stimmung durch einen leuchtenden Herbstwald, vermag auch dessen Leuchten mich zu erheitern. Sehe ich einen See in der Abendsonne friedlich ruhen, teilt diese Ruhe sich auch mir mit.
Foto: Lutz Meyer