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Bergmann

In der auf angenehme Weise altertümlichen, Anfang 2018 noch nicht nach modernen museumspädagogischen Vorstellungen verhunzten Ausstellung im Bergwerksmuseum in Clausthal-Zellerfeld hatte ich eine unverhoffte Begegnung mit Nietzsche.

Zwar erwies sich der Denker auf den zweiten Blick nur als aus Holz geschnitzt und überdies mit einer seltsamen, an einen Kaffeekannenwärmer erinnernden Mütze angetan, doch die Augen, der Bart – es konnte keinen Zweifel geben.

Beim Studium der kleinen Tafel zeigte sich dann freilich, dass es sich hier um die geschnitzte Wiedergabe eines Harzer Bergmanns handelte. Das Missverständnis erweist sich dennoch als fruchtbar. Denn hatte nicht Nietzsche, dem tief in die Erde hinab fahrenden Bergmann gleich, die Seele des neuzeitlichen Menschen bis in die tiefsten Schichten und dort bis in die letzten Ecken auszuleuchten versucht?

Nein, ich verwechsele Nietzsche nicht mit Freud, der – dem Begriff „Tiefenpsychologie“ Hohn sprechend – doch nur an der Oberfläche kratzte, wo Nietzsche in die wahren Abgründe sah:

Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen.
»Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern« – so fragt der letzte Mensch und blinzelt.
Die Erde ist dann klein geworden, und auf ihr hüpft der letzte Mensch, der Alles klein macht. Sein Geschlecht ist unaustilgbar, wie der Erdfloh; der letzte Mensch lebt am längsten.
»Wir haben das Glück erfunden« – sagen die letzten Menschen und blinzeln.

 

Foto: Lutz Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.

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