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Zeugnisse

Und wieder ist ein Schuljahr geschafft. Ja, nicht vorbei oder herum, sondern im wahrsten Sinne des Wortes „geschafft“. Kind 1 sitzt nur seine Zeit bis zum Abschluss ab. Jedes ohne größere Katastrophen geschaffte Schuljahr ist ein gutes Jahr. Die Katastrophen haben verschiedene Ursachen, mal bahnen sie sich an, dann wieder fallen sie wie eine Naturgewalt über uns herein. In die letzte Kategorie fällt eine neu in der Klasse unterrichtende Lehrerin, die dermaßen desillusioniert ihren Beruf ausübt, dass sie Noten für Präsentationen willkürlich vergibt. Oder eine Englischlehrerin, die nicht unterbindet, wenn sich zwei Schüler über die Aussprache einer Mitschülerin lustig machen.

Unterrichtsausfall, überfüllte Klassen, Mobbing

Kind 2 freut sich, seine Freunde in der Schule zu treffen, ist wissbegierig und sieht großzügig über manche Hürden hinweg, die ihm das Schulsystem in den Weg stellt. Bei ihm finde ich es traurig zu beobachten, wie ihm die Zustände in den deutschen Schulen die Lust an der Schule mit jedem Jahr mehr austreibt. Er hat immer wieder engagierte Lehrer und Lehrerinnen, die auf ihre Schüler empathisch eingehen, aber die sind die Minderheit. Hinzu kommen der ständige Ausfall von Unterricht, überfüllte Klassen, nicht mehr zeitgemäße Lehrmethoden, Mobbing.

Zweifelhafte Plattformen wie Iserv und Webuntis

Als Optimistin , die ich bin, hatte ich während der Schulschließungen im Corona bedingten Lockdown gehofft, die Situation in den Schulen würde sich bessern. Denn viele Probleme haben sich in der Zeit wie unter einem Brennglas offenbart. Stattdessen scheint es mir, als wenn sich seitdem die Situation an deutschen Schulen noch verstärkt hat. Es kommt mir vor, als wären noch mehr Lehrkräfte als zuvor ausgebrannt, noch mehr würden fehlen – und die Digitalisierung vermisse ich nach wie vor. Zwar gehören nun Tools wie Iserv oder Webuntis zum Repertoire der Schulen, doch beides dient letztlich nur der Organisation des Schulalltags. Und bei der Optik und der Bedienfreundlichkeit ist noch viel Luft nach oben.

Was bleibt? Wir haken für uns die Schuljahre ab. Heute am Zeugnistag ist wieder eins geschafft – und vor meinen Kindern liegen ein paar Wochen, die angefüllt sind mit unbeschwerter Zeit. Anfangs habe ich noch versucht, einiges davon in die Schulzeit mitzunehmen. Immerhin macht diese den größeren Teil an Lebenszeit eines Kindes aus. Natürlich erleben meine Kids auch in der Schule tolle Momente und bereichernde Augenblicke, doch für uns ist Schule längst zu einer Nebensache geworden. Eine grundlegende Überarbeitung des Schulsystems ist dringend nötig – aber ich bin mir sicher, meine Teenager werden davon nicht mehr profitieren.

Foto: Nicole Hein

Nicole Hein ist freie Journalistin und Autorin mit den Schwerpunkten Gesundheit, Steuern, Lebensart & Wohnen.