Dem Hahn wurden in alten Zeiten prophetische Kräfte zugeschrieben. Mit einem ironischen…
Sprache und Erde haben (wie Sprache und Wasser, Sprache und Luft sowie Sprache und Feuer) vielfältige innere Bezüge. Dabei mag man zunächst Sprache und Heimaterde denken, an verwurzelte Sprache, an einen mehr oder wenig befremdlich klingenden Dialekt. Doch das, was Sprache und Erde verbindet, ist die Tendenz zur Verfestigung.
Das Feste
Wie Erde in der Verdichtung als Gebirge oder Gebäude zur festen Form neigt, so bringt auch Sprache feste Formen hervor: Worte und Sätze, die bleiben, Gedichte, Lieder, Gesetzestexte, Verträge, niedergeschriebene Erinnerungen. Als geschriebenes oder in Stein gemeißeltes Wort kann Gesprochenes Jahrtausende überdauern. Diese gleichsam in Schrift konservierte Sprache lässt uns Vergangenes und Fernes und auch Fremdes verstehen, ganze Epochen überbrücken und Licht in geschichtliches Dunkel bringen. Diese Tendenz der Sprache zum Bewahren von Lebenserfahrung schafft überhaupt erst das Fundament jeder geistigen Tätigkeit. Doch nichts ist von ewiger Dauer.
Das Vergängliche
Wie aus Erde Geschaffenes dem Verfall nicht entgeht – selbst höchste Gebirge fallen irgendwann der Erosion zum Opfer –, so ist auch das gesprochene oder geschriebene Wort immer vom Verfall bedroht. Es kann vergessen werden, der materielle Träger der Botschaft (Papyrus, Pergament, Tontafel, bedrucktes Papier, elektronische Datenträger) kann zerstört werden – oder es wird schlicht nicht mehr verstanden. Damit muss man leben.
Das Wort würdigen
Vor dem Hintergrund, dass das gesprochene und insbesondere das geschriebene Wort die Zeiten überdauern kann, sollte man einen sprachlichen kategorischen Imperativ schaffen: Spreche und schreibe stets so, dass du wollen kannst, dass dein Wort zum Vorbild für andere werden kann. Das heißt: Verhunze deine Sprache nicht, verbiege sie nicht und verschwende sie vor allem nicht an unwürdige Gegenstände.
Foto: Lutz Meyer