Uralten indischen Traditionen folgend, lassen sich im Menschen unterschiedliche Chakren bzw. Energiezentren…
von Inge Klatt
Es war Urlaubszeit und es herrschte auf unserem Campingplatz in Sahlenburg Hochbetrieb. Das Wetter spielte mit und so lümmelten die meisten von uns in Liegestühlen auf ihren Plätzen herum. Einige grillten auch und tranken gut gekühltes Bier dazu. Es war ein Wetter zum Helden zeugen, wie man so schön sagt. Zu den Ersteren, den ,,Lümmlern“, gehörten Hans-Joachim und ich. Träge beobachteten wir das Umfeld und freuten uns des Lebens. Dann tauchte unser Freund Kurt auf. Er war ein rüstiger Rentner und bis auf kurze Unterbrechungen war er mit seiner Frau den ganzen Sommer über auf den Platz.
,,Hannes, hast Du nicht Lust mit mir eine kleine Segeltour zu machen?“
Von Freunden wurde Hans-Joachim ,,Hannes“ genannt, war ja auch kürzer. Eigentlich hatte mein Mann keine große Meinung, mochte seinen Kumpel aber nicht enttäuschen.
,,Ja, schon, aber wir können nicht mehr weit hinaussegeln, die Flut hat schon ihren Höhepunkt erreicht.“ Mit diesen Worten erhob sich Hans-Joachim und gemeinsam schoben die beiden Männer mit dem Trailer, auf dem sich die Jolle befand, von unserem Platz. Der Wind war günstig und so beschlossen sie, in Strandnähe zu bleiben und Richtung Döse, Cuxhaven zu segeln. Eine leichte Brise begünstigte ihr Vorhaben. Sie genossen diese Tour sehr und freuten sich, dass sie sich dazu aufgerafft hatten.
Der Höhepunkt stand ihnen aber noch bevor.
Plötzlich tauchte seitlich vor ihnen der Nacktbadestrand auf. Davon hatten sie keine Ahnung gehabt, weswegen es sie unerwartet traf. Ich will hier nicht verallgemeinern, aber ich habe noch nie einen Mann getroffen, der daran nicht interessiert gewesen wäre. So erging es auch unseren beiden ,,Easy-Seglern“. Was dann passierte, kann ich mir nur so erklären: Kurt und Hannes beugten sich gleichzeitig auf der selben Seite des Bootes vor, damit ihnen nichts entging. Zu viel für unsere kleine Jolle, dem war sie nicht gewachsen. Sie legte sich auf die Seite und kenterte.
Meine boshafte Seite meinte später, diese Abkühlung hätten sie wohl gebraucht. Wie auch immer. Mein Mann kam zuerst wieder an die Oberfläche und vermisste seinen Freund. Besorgt tauchte er erneut wieder unter. Zum Glück kam ihm Kurt schon entgegen. Strahlend und triumphierend hielt er ein geschlossenes Marmeladenglas in der Hand. Als süchtiger Raucher mochte er selbst bei einer Segeltour nicht auf seine geliebten Zigaretten verzichten. Damit sie nicht nass wurden, verschloss er die gesamten Utensilien in einem wasserdichten Behältnis. Dafür war er extra noch einmal getaucht. Gemeinsam schafften die beiden Männer es, das Boot wieder aufzurichten. Natürlich war noch viel zu viel Wasser in der Jolle. Sie mussten zum Strand um es dort wieder leer zu schöpfen. Tatsächlich schafften sie dieses Manöver.
Kaum hatten ihre Füße jedoch den Boden berührt, kam schon der erste ,,Nackedei“ anstolziert.
,,An diesem Strand dürfen Sie nur unbekleidet erscheinen“, verkündete er gebieterisch.
,,Wir wollen hier nur eben das Wasser aus unserem Boot schöpfen“, verteidigten sich die beiden in ,,Seenot“ geratenen Helden. Dabei verrieten ihre nassen Klamotten, die wie eine zweite Haut an ihrem Körper klebten, genauso viel Konturen, wie bei dem nackten Mann. Nach und nach gesellten sich immer mehr unbekleidete Personen dazu und halfen sogar beim Wasser schöpfen und wischten es noch mit einem Schwamm aus.
Hans Joachim bedankte sich dafür und meinte entschuldigend: ,,Es tut uns furchtbar leid, dass wir Sie gestört haben und Sie sich vielleicht belästigt fühlten.“
Dann fügte er noch verschmitzt lächelnd hinzu: ,,Das nächste Mal steigen wir gleich nackend ins Boot.“
Der Bann war gebrochen. Alle lachten nun gemeinsam.
Auf jeden Fall schafften sie es, die Jolle wieder seeklar herzurichten und mit dem letzten Wasser zum Campingplatz zurückzukommen. Die Ebbe hatte inzwischen eingesetzt. Wie zwei Lausbuben, die durchs Schlüsselloch etwas beobachtet hatten, kehrten die beiden Seehelden grinsend zurück.
Inge Klatt ist Gastautorin. Sie wurde 1932 in Hamburg geboren und lebte in ihrer Kindheit im Stadtteil Hammerbrook. Nach Kriegsende besuchte sie von 1947-1949 die Handelsschule. Mit 30 Jahren heiratete sie einen Nautiker und damit begann eigentlich auch schon ihr abenteuerliches Eheleben. Seit 1971 lebt sie mit ihrem Mann in Stade, was zu ihrer zweiten Heimat wurde. Später im Rentenalter kauften die beiden sich einen Wohnwagen und fuhren damit quer durch Europa. Mit dem Schreiben hat Inge erst sehr spät angefangen und kann nun gar nicht mehr damit aufhören.
Fotos: Titelbild: Lutz Meyer / Inge Klatt: privat
Dieser Beitrag hat 0 Kommentare