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„Offengestanden gefällt mir Ihre Hose nicht“ – mit diesen Worten wurde ich auf einen kleinen Fauxpas aufmerksam gemacht. Ich dachte: „Na und?“ Bis mir dann im Nachgang der Sekundenbruchteil auffiel, der zwischen den Wörtern „offen“ und „gestanden“ angeklungen war. Ich beeilte mich, den bemängelten Zustand diskret zu beseitigen. Und begann zu grübeln.

Was ist daran peinlich?

Bleibt der Reißverschluss einer Hose unverschlossen, kann man davon ausgehen, dass der Betreffende (fast nie handelt es sich um eine Frau) gerade von der Toilette kommt und so in Eile oder in Gedanken war, dass er den letzten Handgriff einfach vergaß. Man denkt nicht weiter darüber nach – und kehrt dann eben mit halb geöffneter oder nachlässig verschlossener Hose in den Kreis anderer Menschen zurück. Ist es etwa peinlich, sein Geschäft verrichtet zu haben? Wohl kaum.

Ist die Hose peinlich oder sind’s die Gedanken?

Die meisten Menschen tragen überdies Unterwäsche. Sollte der Reißverschluss der Hose offenstehen, fällt der Blick also allenfalls auf die Unterhose. Die ist, wenn sie sauber ist, nicht peinlich. Peinlich scheint daran etwas anderes zu sein: Der Weg zu dem, was sich wiederum hinter dem Stoff der Unterwäsche verbirgt, steht ein wenig offener als sonst in Gesellschaft üblich. Das Klaffen des Hosenstoffes ist gleichsam ein Einfallstor für tendenziell unzüchtige Gedanken. Ist vielleicht erst der Umstand, dass einem anderen Menschen solche Gedanken beim Anblick der offenen Hose kommen, peinlich? Und die nachlässig geschlossene Hose bzw. deren Träger Hose wird als Auslöser dafür verantwortlich gemacht?

Benehmen

Nun ist es ja aber nicht so, dass wir den Anblick von Nacktheit nicht gewöhnt wären. Und auch Sexualität ist längst kein Tabu mehr. Woher also die Peinlichkeit der offenen Hose? Sie ist auf jeden Fall tief verwurzelt, was man schon daran erkennt, dass sie redensartlich ist: Jemand benimmt sich wie eine offene Hose. Also irgendwie daneben. So, wie man es normalerweise nicht macht. Stein des Anstoßes.

Die Frage ist nun: Wie gehe ich damit um, wenn ich in besagtem Zustand ertappt werde? Betreten? Peinlich berührt? Oder souverän? Eine souveräne Reaktion wäre: „Danke für den Hinweis, ist mir ganz entgangen“. Oder etwas weniger förmlich: „Ist nicht heute Tag der offenen Hose?“. Will man einen unterstellten sexuellen Kontext thematisieren, könnte man auch sagen: „Betrachten Sie es gern als Einladung.“ Aber das sollte man immer von der betreffenden Person abhängig machen.

 

Foto. Lutz Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.

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