Dem Hahn wurden in alten Zeiten prophetische Kräfte zugeschrieben. Mit einem ironischen…
Unvergessen bleibt ein Spruch einer Werbeagentur, den ich vor vielen Jahren gehört habe: „Der Punkt symbolisiert das Internet.“ Der genaue Zusammenhang ist mir entfallen. Ich weiß nur noch, dass es sich um einen Halbsatz auf einer Webseite eines lokalen Bekleidungsgeschäftes handelte, der entgegen aller grammatikalischen Regeln am Ende einen Punkt trug. Obwohl dieser unscheinbare Punkt für alle unbedarften Leser wie ein normales Satzzeichen daher kam, umwehte ihn also ein Hauch der unendlichen Weite des Internets. Verstanden habe ich das schon damals nicht. Wenn das Internet so wichtig gewesen ist, hätten ihm die Werbetexter lieber einen eigenen Satz – oder ganz verwegen, vielleicht sogar einen Absatz – widmen sollen.
Der Punkt war eines Tages fort
Gestern habe ich dann an einem Ort, wo ich es am wenigsten erwartet hätte, gelesen, was zwei Punkte alles können. Nämlich alle queeren Menschen (LGBTQIA+) einschließen. Denn im Eingangsbereich des Panzermuseums Munster gab es nicht nur eine Triggerwahnung vor Gewalt, sondern auch die Erklärung, dass das DPM die „Vielfalt der Geschlechter in den Ausstellungstexten“ kennzeichnen würde. Statt zum Beispiel „Soldaten“ hieße es nun „Soldat:innen“ und da diese Zweigeschlechtlichkeit eben immer noch nicht die bunte Vielfalt der Menschheit widerspiegele, gebe es den Doppelpunkt oben drauf. Grundsätzlich finde ich nichts verkehrt daran, wenn ein Museum mit der Zeit geht – und sogar eins, das mit seinen Exponaten eher männliche Besucher anspricht, auf seiner Webseite mit dem Feminismus sympathisiert. Wobei das meine Interpretation ist. Konkret heißt es: „Das DPM stellt sich daher aktiv gegen Rassismus, Sexismus und andere ausschließende und herabwürdigende Weltsichten.“
Typografische Zeichen mitten im Wort
Was mich umtreibt, ist genereller Natur. Erst einmal halte ich es wie der Rechtschreibrat: Mich irritieren typografische Zeichen, die nicht zu den Satz- oder Wortzeichen gehören, mitten in einem Wort. Nun mag es durchaus sein, dass ich mich eines Tages an die, zwar grammatikalisch inkorrekte, aber neue Verwendung der Sonderzeichen gewöhnt habe. Noch viel mehr störte mich gestern beim Lesen der Informationstafeln, dass ich mich nicht mehr auf die Inhalte konzentriert habe, sondern darauf, wer nun gemeint sein könnte. Wenn von den Offizieren die Rede war, war das dann tatsächlich so? Waren das wirklich nur Männer – oder handelte es sich beim Nicht-Gendern um einen Fehler der Texter – ähm, der textenden Personen? Und was war mit den Veteranen des 2. Weltkrieges? Waren die rund 500.000 Frauen, die das nationalsozialistische Deutschland als Helferinnen in Wehrmacht, Gestapo, SS und beim Deutschen Roten Kreuz tätig gewesen waren, keine Veteraninnen? Ab wann ist man überhaupt ein Veteran? Muss man dafür auf dem Schlachtfeld gekämpft haben?
Mir war die Lust am Lesen vergangen
Je mehr ich mich durch das bemühte Gendern arbeitete, desto mehr verging mir die Lust am Lesen – und am eigentlichen Thema. Nämlich an der Auseinandersetzung mit den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs und der Kriegsmaschinerie als solches. Was schade war, denn das Museum in der Lüneburger Heide zeigt rund 150 Großgeräte, Panzer, Geschütze und Fahrzeuge von 1917 bis heute – auf ca 10.000 m². Es gibt also jede Menge zu sehen und zu entdecken.
Es wird genug Leute geben, die das Gendern auf den Infotafeln prima finden – ich hätte sehr gut darauf verzichten können. Aber vielleicht wird es so kommen wie bei der Webseite des Bekleidungsunternehmens: Als ich nach Jahren erneut darauf klickte, war sie komplett neu. Und mit dem Relaunch war auch der Punkt verschwunden, der das Internet symbolisierte.