Plötzlich ist es da: Das Ereignis, mit dem niemand ernsthaft gerechnet hatte…
Sprache fließt, Sprache strömt, Sprache bewegt – so auch das Wasser. Sprache und Wasser haben offenkundig mehr als nur eine Gemeinsamkeit. Das Strömen und Fließen wird gemeinhin dem Fluss zugeordnet, wie es denn auch den Sprachfluss gibt. Aber Sprache kann auch Meer sein.
Sprache und Meer
Das Meer steht für Tiefen und Untiefen, es kann wild und ungestüm, aber auch sanft sein. Die Gezeiten gleichen in ihrer Wiederkehr und Regelmäßigkeit dem ruhigen Atmen. Auch Sprache atmet. Und wie das Meer hat die Sprache neben unendlichen Tiefen Flachwasserzonen, in denen schon mancher auf Grund gelaufen ist.
Sprache und Regen
Natürlich gleicht Sprache auch dem Regen: Sprache wirkt ähnlich befruchtend auf den Geist wie der Regen auf das Wachstum der Pflanzen. Sprache und Regen bringen Neues hervor und fördern das Gedeihen. Aber Regen kann zerstörerisch sein, aus murmelnden Bächen werden reißende Ströme, die sich, um den Kreislauf zu schließen, ins Meer ergießen. Sprache kann ebenfalls mitreißend sein und dabei vermeintlich Festgefügtes für alle Zeit entwurzeln.
Die Göttin des Wassers und der Sprache
Während westliche Gesellschaften mit der Sprache offensichtlich nur noch Schindluder treiben, sie nach Belieben zu ihrer Belustigung verdrehen, ideologisch verformen und jeden Bezug zur Sprache als Lebenskraft verloren haben, verehren Hindus wie auch Buddhisten Sprache als heilig und göttlich.
Konkrete Gestalt nimmt diese Verehrung in der Göttin Saraswati an. Ursprünglich eine Flussgöttin und dem Fließen und Strömen verbunden, wurde Saraswati bald als Göttin des Werdens und des Lebens erkannt. Zugleich aber ist sie die Göttin der Künste und Wissenschaften, der Sprache und der Dichtkunst. Sprache und Wasser sind in ihrer Gestalt sinnbildlich vereint. Für uns wäre schon viel gewonnen, wenn wir wieder eine Ahnung davon gewinnen würden, dass Sprache wesentlich mehr ist als nur ein Ausdrucksmittel, mehr als nur Kommunikation und mehr als nur ein Medium der Informationsvermittlung.
Foto: Lutz Meyer