Es gibt genügend Gründe, sich im Hier und Jetzt nicht immer wohl…
Was bringt die Zukunft? Die Rückkehr der alten Götter? Oder wird der Mensch am Ende gar selbst gottgleich werden? Dieser alte Menschheitstraum wird derzeit intensiv im Zeichen des Transhumanismus geträumt. Im Menschen der Zukunft, Chip-bestückt und neu verdrahtet mit einer Alleskönner-KI, verbinden sich Biologie und Technologie. Der Mensch wird allwissend und allmächtig. Wie stehen die Aussichten?
Pro Transhumanismus
Natürlich ist die Vorstellung sehr verlockend, fortan jeder Mühsal enthoben zu sein, Wissen nicht mehr aufwändig erwerben zu müssen, sondern einfach abrufen zu können. Auch würden Krankheit, Schmerz, Armut und jedes Elend der Vergangenheit angehören. Denn Gesundheit würde programmierbar werden und das Leben schön und ewig sein. Arbeit würde von der KI organisiert und erledigt werden, das Paradies auf Erden nähme endlich konkrete Gestalt an. Außerdem würden wir das Universum nicht nur besser verstehen, sondern gleich ganz erobern. Die entsprechende Technologie ist bereits vorhanden, man muss es jetzt nur noch umsetzen. Einfach machen also.
Soweit der feuchte Traum derer, die den Versprechungen der Transhumanisten nur allzu gern folgen möchten. Was sie dabei übersehen, ist eine einfache Frage: Für welche Zwecke sollten sie selbst künftig eigentlich noch gebraucht werden? Wie jedes andere Elitenprojekt auch ist auch der Transhumanismus kein Wohltätigkeitsprojekt. Die meisten heute lebenden Menschen wären überflüssig und würden – einmal mit einem entsprechenden Chip bestückt – schnell für immer abgeschaltet werden. Man hüte sich also davor, sich wie seinerzeit bei der Corona-Impfung mit Bratwürsten dieser oder jener Art locken zu lassen.
Contra Transhumanismus
Der Name Transhumanismus sagt es schon: Der Mensch hört auf, Mensch zu sein. Er wird zu Frankensteins Monster – einer größenwahnsinnigen Idee entsprungen, voller Kummer, Schmerz und Leid. Denn als transhumanistische Schöpfung wird uns die Liebe ebenso abhandenkommen wie jede andere Empfindung oder Seelenregung und damit auch das Glück. Wir werden fühllose Automaten sein, bestimmt, zu funktionieren.
Ich las dieser Tage mal wieder „Brave New World“ von Aldous Huxley (in der von Huxley selbst kommentierten Ausgabe von 1959 „Brave New World Revisited“, „Schöne neue Welt – Dreißig Jahre danach“). Hier überlegt Huxley, ob es für den Wilden (also den nicht künstlich gezeugten, den nicht transformierten Menschen) neben der utopischen und der primitiven Alternative eine dritte Möglichkeit geben sollte: in einer Gemeinschaft zu leben von Verbannten und Flüchtlingen aus der schönen neuen Welt, in der Naturwissenschaft und Technik angewendet werden, als wären sie um den Menschen willen gemacht, und nicht, als sollte der Mensch ihn angepasst und versklavt werden. Es herrschte eine Art höherer Utilitarismus, worin das Prinzip des größten Glücks dem des höchstens Zwecks untergeordnet sei.
Der Ansatz mit dem Leben in einer Gemeinschaft geht in die richtige Richtung, aber in einem entscheidenden Punkt zu weit: Eine Unterordnung unter höchste Zwecke gleich welcher Art erschafft wieder nur ein System der Unfreiheit. Warum also nicht losgelöst von jedem Zweck und jedem Nutzen leben? Es zählt einzig das Zusammenwirken freier Menschen – auf, dass dabei etwas Schönes und Großartiges entstehe. In diesem Sinne: Möge 2025 eine schöne neue Welt lustvollen Freiseins bringen. Käme das nicht einer Rückkehr der alten Götter und des mit ihnen verbundenen Reichtums gleich (oben im Bild Freyr)?
PS: „Old Time Religion“ ist ein Gospel, die ursprüngliche Version preist ein volkstümliches Christentum. In einer späteren Textbearbeitung von Pete Seeger dann die humorvolle Wendung zu den noch älteren Göttern.
Foto: Lutz Meyer