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Der Moment der Wahrheit

Etwas Ungeheuerliches geschieht – eine Naturkatastrophe, ein Verkehrsunglück mit zahlreichen Opfern oder ein Verbrechen wie der Mord an Charlie Kirk. Jeder Mensch, der davon erfährt, wird darauf auf seine ganz spezielle Weise reagieren. Diese erste Reaktion ist immer spontan, unbedacht. Und sie ist der Moment der Wahrheit, in dem der Mensch sich selbst begegnet und sich als der zeigt, der er in seinem innersten Kern ist.

Der Moment der Wahrheit: Charlie Kirk

Als die Nachricht vom Mord an Charlie Kirk sich verbreitete, gab es die Geschockten, die Entsetzten, die selbst bis ins Mark Getroffenen. Sie konnten das Geschehene nicht fassen, waren fassungslos, weinten. Sie standen vor dem Unbegreiflichen. Tiefe Traurigkeit und Trauer folgten.

Und dann gab es da jene anderen: Diejenigen, die mit Häme, Spott, Zynismus, Genugtuung, Gleichgültigkeit und sogar Freude auf den Mord reagierten. Der Moment der Wahrheit offenbarte schlagartig, wie es um den Menschen bestellt ist. Das Innere des Herzens, die Seele wird sichtbar. Bei denen, die Verständnis für die Untat zeigten, die sich freuten, ist der Befund verheerend: Kein lebendiges Herz, nur ein rabenschwarzes Kohlestück. Keine Seele, nur ein stinkender Morast. Dieser Einblick kann nicht ungeschehen gemacht werden.

Zu guter Letzt sind dann noch diejenigen, die das Ganze in den Medien „einordnen“, dabei ihre Häme und Freude nur unzureichend durch scheinbar sachliche Einordnungsversuche zu kaschieren vermögen. Hier ist der Moment der Wahrheit zu ihrer Schande für alle Zeiten konserviert.

Wenn Erkenntnis dem Moment der Wahrheit folgt

Vielleicht war der eine oder andere selbst erschrocken, mit welchen Gefühlen er auf diese Tat reagiert hat, die ja nicht nur einen politischen Aktivisten traf, sondern auch einen Vater zweier kleiner Kinder, einen Ehemann und eben einen Menschen mit allem, was zum Menschsein dazu gehört. Vielleicht hat sich hier und da im Nachhinein doch jemand entsetzt gefragt, warum er mit Häme und Freude reagiert hatte.

Wahrscheinlicher aber ist, dass in den meisten Fällen dieser Akt der Selbsterkenntnis und des Erschreckens unterblieb. Dies gilt für vor allem für Einordnungsjournalisten. Weder einer Dunja Halali noch einem Elmar Theveßen traue ich zu, ihre bewusst verfälschenden und gehässigen Worte auch nur für den Bruchteil einer Sekunde bedauert zu haben. Doch wenn auch die Selbsterkenntnis unterbleiben mag, so ist die Erkenntnis, die andere über solche Menschen erlangen, kaum zu verhindern.

Die Frage ist: Wie geht man mit solchen Menschen um, die sich im Angesicht einer Tragödie als gefühllos, kalt, zynisch erwiesen haben? Wie mit den Medienleuten, die den Mord zwar halbherzig verurteilen, aber in letzter Konsequenz doch als durch das Opfer selbstverschuldet darstellen? Geht man überhaupt noch mit ihnen um? Mit Verachtung? Abscheu? Hass? Die Spirale der Inhumanität würde sich weiterdrehen.

Die Rache

Dem Attentäter droht die Todesstrafe. Wie werden die Menschen auf das Urteil und seine Vollstreckung reagieren? Gibt es dann einen neuen Moment der Wahrheit? Werden nun diejenigen Freude und Genugtuung empfinden, bei denen der Mord Entsetzen ausgelöst hatte? Werden sie die Auslöschung dieses Menschen feiern?  Und werden diejenigen Entsetzen und Trauer empfinden, die den Mord selbst bejubelt hatten? Der Tod ist grundsätzlich nichts, was man bejubeln sollte. Auch dann nicht, wenn es den ärgsten Feind trifft.

Foto: Lutz Meyer

 

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.