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Wer malt heute noch Landschaften? Vielleicht der eine oder andere Sonntagsmaler, den es mit Staffelei, Leinwand, Pinsel und Farbkasten noch hinaus ins mehr oder minder Grüne drängt. Doch in der großen Kunst (groß sei hier ganz banausisch einmal definiert durch die Größe der Geldbeträge, die für ein Kunstwerk gezahlt werden), hat die Landschaft ihren Platz verloren. Ob für immer?

Wie die Landschaft erst zum Helden wurde …

Als Gegenstand der Malerei wurde die Landschaft erst um das Jahr 1700 entdeckt. Bis dahin war Landschaft Hintergrund, Beiwerk, Staffage. Sie lieferte den passenden Rahmen für mythologische, kriegerische oder auch alltägliche Szenerien. Nun aber wurde sie selbst zum Helden und der Mensch kam in ihr nur noch als Beiwerk vor. Man entdeckte die Landschaft zu einem Zeitpunkt, als die technische Zivilisation sich bereits daran gemacht hatte, ganze Landschaften zum Verschwinden zu bringen: Großflächige Abholzungen, sich ausbreitender Berg- und Tagebau, die Ausdehnung von Städten und die Anlage von Kanälen und Verkehrswegen fraßen die Landschaft regelrecht auf. Dies geschah seit dem frühen 19. Jahrhundert in einem solchem Ausmaß, dass es zumindest ästhetisch sensibleren Naturen nicht länger entgehen konnte. Die romantisch geprägte Landschaftsmalerei versuchte, letzte Reste schwindender Naturlandschaften im Kunstwerk zu erhalten und – indem sie die Landschaft teils dramatisch übersteigerte, teils ins Geheimnisvolle überhöhte – auch einen Sinn dafür zu wecken, dass uns an ihrem Erhalt etwas gelegen sein müsste.

… und dennoch unterging

Inzwischen ist die Landschaft fast überall auf diesem Planeten zum verplanten Wirtschaftsraum geworden. Wo sie als Naturlandschaft in Restbeständen noch erhalten ist, erfolgt ihre touristische Bewirtschaftung umso stärker – besonders perfide getarnt als sogenannter sanfter Tourismus. Ein Maler, der sich der Landschaft heute annehmen wollte, müsste sehr weit reisen – oder aber Windparks, Überlandleitungen, Bettenburgen, Kreuzfahrtriesen und Hochgeschwindigkeitstrassen als störende Bildelemente in Kauf nehmen.

Meereslandschaften: Eine Botschaft

Etwas anders verhält es sich mit Meereslandschaften. Das mag daran liegen, dass das Toben der entfesselten Elemente etwas zeitlos und elementar Zerstörerisches hat, das auch vor den zivilisatorischen und technischen Monumenten in der heutigen Landschaft nicht Halt macht. Im Wüten eines Sturmes mag in den Augen eines Landschaftsliebhabers durchaus etwas Tröstliches liegen, sofern er nur genügend Windräder knickt. Als der deutsche Landschafts- und Marinemaler Carl Saltzmann (1847 bis 1923) im Jahr 1892 sein Bild des sturmumtosten Helgoländer Buntsandsteinfelsens schuf, war der technische Zugriff auf die Landschaft schon weit fortgeschritten. Im Gemälde von Carl Saltzmann (es hängt heute übrigens im Hotel Kieler Yacht Club) wird das menschliche Treiben nur an zwei Punkten sichtbar: Ganz winzig im Hintergrund sieht man den Leuchtturm und ein weiteres Gebäude, eine Signatur, die von der Anwesenheit des Menschen gleichsam im Kleingedruckten kündet. Im Vordergrund die Reste eines auf dem Riff gescheiterten Schiffes. Hat der Mensch die Erdoberfläche auch verwüstet, dem Wüten der Elemente wird er nicht entkommen.

 

 

Foto: Lutz Meyer

 

 

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.

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