Wachsmalblöcke sehen aus wie glattgeschliffene Steine, besonders wenn sich vom vielen Gebrauch…
Wer kennt es nicht? „Mama / Papa ich muss morgen [hier beliebig was eintragen] mitbringen!“, versetzt Eltern sofort einen Adrenalinschub und treibt Schweißperlen auf die Stirn.
Mittlerweile horte ich so viele Blöcke, Mappen, Stifte, Hefte, Radiergummi und Tintenkiller in verschiedenen Formen und Farben, dass ich einen Schreibwarenhandel eröffnen könnte. Doch das „ich brauche einen Fächer und einen Taschenrechner“ hat mich vergangene Woche eiskalt erwischt. Als kurzfristige Lösung dienten der solide Texas-Taschenrechner aus meiner Schulzeit und ein Fächer aus dem Hochzeitsbedarf eines 1-Euro-Shops. Deutlich schwieriger gestaltete sich am Dienstag: „Wir frühstücken morgen in Englisch. Ich brauche was, das ich mitnehmen kann.“
Die besondere Herausforderung war in diesem Fall das Wetter, denn nachmittags zog ein Gewitter mit Starkregen auf. Nachdem mein Kind und ich eine Stunde am Fenster gestanden und die prasselnden Wassermassen bestaunt hatten, beschloss ich spontan, nicht mehr einkaufen zu gehen. Stattdessen buk ich Muffins. Genau 31 sollten es sein. Während die ersten 24 im Ofen waren, entdeckte ich eine Überschwemmung im Keller. Nichts Dramatisches, sondern nur eine ordentliche Pfütze wegen des Handwerkers, der kurz vorher den Wasserzähler gewechselt hatte – und klammheimlich verschwunden war, ohne sein kleines Malheur zu beichten. Die Pfütze war kurz darauf beseitigt – und rund die Hälfte der Muffins unten schwarzgebrannt. Also rührte ich eine weitere Portion Teig an. Um 23 Uhr hatte ich die ausgekühlten 31 Muffins dicht an dicht in eine Dose gequetscht, die, in einem Beutel verstaut, fahrradtauglich auf den Tornister passte. Mit dem guten Gefühl, dass es das jetzt mit dem Stress für dieses Schuljahr gewesen ist – immerhin waren fast Ferien – fiel ich müde ins Bett.
Ein Foto für den Bundestag
Doch das eigentliche Highlight zum Schuljahresende stand mir zwei Tage später, am Donnerstag, bevor. Mein anderes Kind bat mich morgens um 7 Uhr seine Schul-E-Mails zu checken. Dort fand ich eine sieben Tage alte Nachricht des Politik-Lehrers – offensichtlich ungelesen. Darin bat er, unbedingt am Freitag an die Lichtbildausweise zu denken. Ohne Ausweise kämen sie nicht in den Bundestag. Mir brach der Schweiß aus: ein Ausweis? Mein Kind besaß lediglich einen abgelaufenen Reisepass. Den würden die Sicherheitskräfte nicht akzeptieren. Und warum hatte im Schreiben des Lehrers an uns Eltern nichts von dem Ausweis gestanden? Kurzerhand schwang ich mich aufs Rad und begleitete meinen Sohn in die Schule. Dort bat ich die Sekretärin um Hilfe: Könnte sie meinem Kind einen Schülerausweis ausstellen? Sofort? Sie konnte. Aber damit der Ausweis gültig war, brauchte sie ein aktuelles Passbild – und nicht digital, sondern klassisch auf Fotopapier ausgedruckt.
Zum ersten Mal in diesen ganzen Jahren als Mutter schulpflichtiger Kinder gab ich mich geschlagen und erklärte, dass mein Kind leider nicht beim Tagesausflug nach Berlin mitfahren könnte. Ich hatte kein aktuelles Bild. Und wenn ich es nach der Schule machen würde, wäre sämtliches Schulpersonal längst zu Hause. Aber als notfallerprobte Schulsekretärin wusste sie in ihrer charmanten Mary-Poppins-Art eine praktische Lösung: „Holen Sie Ihr Kind in der großen Pause ab, fahren Sie zum Supermarkt und machen Sie ein Foto am Automaten.“ Ich schaute auf die Uhr: Mein nächster Termin war eine virtuelle Redaktionskonferenz um 11 Uhr. Bis dahin sollte das Bild im Kasten sein. Ich radelte heim, trank einen Kaffee, und fuhr kurz darauf mit dem Auto wieder zur Schule. Mein Kind wusste bereits Bescheid. Ein Passbild und zwei Käsebrötchen für das hungrige Kind später war der Ausweis so weit fertig, dass nur noch die Rektorin unterschreiben musste. Erschöpft, aber auch zufrieden, wieder einmal einen scheinbar unlösbaren Sofortauftrag für die Schule gelöst zu haben, warf ich mich kurz darauf auf meinen Schreibtischstuhl. Nun wartete garantiert vor den Ferien keine „ich-brauche-morgen-Aufgabe“ mehr auf mich: Endlich konnte ich mich wieder meinem Job widmen.
Foto: Nicole Hein
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