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Ich bin an der holsteinischen Ostseeküste aufgewachsen. Das war in gewisser Weise sehr schön. Sommers wie winters und auch im Frühling und im Herbst hatte ich es nie weit bis zum Strand. Man konnte baden, schwimmen, segeln, angeln, Steine sammeln, Steine ins Wasser werfen, einander mit Quallen bewerfen und anderen Freuden des Strandlebens nachgehen.

Andererseits fehlte etwas. Nämlich nicht weniger als das halbe Land. Das habe ich aber erst später begriffen, im Münsterland. Wenn man dort lebt oder an einem x-beliebigen anderen küstenfernen Ort, hat man Umland – Umland, das sich schier endlos in alle Himmelsrichtungen erstreckt. Wenn ich von hier aus immer stur ostwärts ginge, stünde ich nach Tausenden von Kilometern irgendwann bei Wladiwostok am Pazifik. Wenn ich vom heimischen Ostseestrand aus ostwärts ging, war ich schon nach wenigen Schritten nass.

Im Umland kann man einkaufen, spazieren gehen, Freunde besuchen, arbeiten. Lebt man an der Küste, reduziert sich das Umland und mit ihm all seine verlockenden Möglichkeiten auf das Hinterland – auf das Land, das hinter der Küste liegt. Vor der Küste liegt nämlich das Meer. Das Meer ist natürlich auch nicht zu verachten, doch schneidet es einen von allerlei Aktivitäten ab, die an Auto, Fahrrad oder an das Unterwegssein zu Fuß gebunden sind.

Trotz fehlendem Umland ist das Leben an der Küste jedoch schöner – einfach, weil man nirgendwo anders die elementare Grenzerfahrung der Begegnung von Land und Meer machen kann. Nur die bringt einen schließlich auf komische Gedanken wie diese hier.

 

Foto: Lutz Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.

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