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Der Eros des Meeres

Unter den Elementen scheint mir das Wasser die höchste erotische Potenz zu haben – und unter allen Gestalten und Formen des Wassers das Meer. Der Eros des Meeres teilt sich allen Sinnesorganen mit: der Nase, der Zunge, den Augen und Ohren und der Haut.

Sinnlichkeit des Meeres

Der Eros des Meeres weht mich bereits aus einiger Entfernung an. Ich recke die Nase in den Wind – und schon erschnuppere ich diesen speziellen Duft. Ich nehme einen Schluck Meerwasser – diese aromatische Salzigkeit ist ein Versprechen auf höchsten sinnlichen Genuss. Begebe ich mich zum Schwimmen ins Meer, streichelt das Salzwasser meine Haut, massiert mich. Wiege ich mich in den Wellen, lausche ich dem Rauschen, spüre ich orgiastische Rhythmen, die Wildheit des Meeres ist allumfassend. Verspeise ich Meeresfrüchte, durchströmt neptunische Fruchtbarkeit meinen Körper.

Ist das Meer männlich, ist es weiblich?

Aphrodite, Göttin der Schönheit, der Liebe und der Lust, ist dem Meer entstiegen. Nixen und Nereiden tummeln sich in ihm. Viele Schiffe tragen noch heute weibliche Namen, weil Frauen seit jeher als Lebensspenderinnen und Beschützerinnen galten. Und nicht zuletzt unterliegt das Meer mit seinen Gezeiten den Kräften des Mondes, der bekanntlich wiederum eine besonders intensive Beziehung zum weiblichen Geschlecht hat. Das Meer ist launisch, verwandlungsfähig, oft verführerisch und höchst gefährlich – Eigenschaften, die vor allem in dieser Kombination wohl öfter mit Frauen als mit Männern in Verbindung gebracht werden. Andererseits ist Meerwasser nichts anderes als verdünntes Sperma – „I don’t drink water. Fish fuck in it.“, sagte einst W. C. Fields. Ich neige dennoch dazu, dem Meer eine weibliche Qualität zuzusprechen.

 

Foto: Lutz Meyer

Lutz Meyer ist Texter und Autor. Schwerpunktthemen sind Gesundheit, Bauen und Philosophie.